200 Jahre nach dem Ende des Alten Reiches

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  • Originaltitel: Deutschland 200 Jahre nach der Niederlegung der Kaiserkrone
  • Eine Rede an die Deutschen von Martin Möller zum 20. August 2006


Pommern und Österreich

Aus Berlin bin ich zu diesem Vortrag nach Wien gereist, aufgewachsen bin ich jedoch in Pommern, einem Pommern, daß es zum Zeitpunkt meiner Geburt so gut wie gar nicht mehr gab. Es lebte einzig weiter in seiner evangelischen Landeskirche, die nicht einmal den Namen Pommern tragen durfte, sondern auf Anordnung der kommunistischen Behörden sich „Greifswalder Landeskirche“ nennen mußte.

Da Stettin nicht mehr zur Verfügung stand, wurde die alte pommersche Universitätsstadt Greifswald Sitz ihrer Kirchenleitung und ihres „Bischofs“. Das Bischofsamt war in den Ländern der Reformation erloschen, in Pommern seit dem Jahre 1574. 1947 wurde es aber wieder aktiviert, allerdings nicht als wirkliches Amt im Sinne von Tradition und hl. Schrift, sondern als quasi Ehrentitel für einen gewählten Präsidenten ohne nennenswerte Kompetenzen.

Pommern hat mit Wien die östliche Lage im deutschen Reich gemeinsam. Mein Geburtsort Löcknitz an der Randow liegt auf der gleichen Länge wie Linz, der Geburtsort meines Vaters Dramburg an der Drawe wie Neulengbach und der Geburtsort meines Großvaters Köslin, exakt wie Wien. Zwischen Wien und Pommern gibt es über die geographische Länge hinaus noch mancherlei Beziehungen, ich möchte nur eine nennen: Franz Schubert hat in seinem umfangreichen Liedschaffen auch zwei pommersche Dichter vertont, Karl Lappe, der als Lehrer und Landwirt in Stralsund wirkte[1] und Ludwig Gotthard Kosegarten, Historiker und Theologe, der in Bergen/Rügen und in unser Universitätsstadt Greifswald wirkte. Von diesem etwa 20 Vertonungen, die bekannteste dürfte sein „Sonne, du sinkst“.[2]

Pommerscher Historiker Droysen

Einen weiteren Pommern möchte ich nennen, der in einem indirektem Verhältnisse zu Österreich steht, den Historiker Johann Gustav Droysen aus Treptow/Rega, das auf der Länge von Melk liegt. Er war der Führer der erbkaiserlichen Partei in der sogenannten Frankfurter Nationalversammlung von 1848 und Begründer der kleindeutsch-borussischen Geschichtsschreibung. Diese war insofern nicht unerfolgreich, als sich diese Geschichtssicht in Deutschland bis heute weitgehend durchgesetzt hat und, wie ich befürchte, auch in Zukunft nicht so leicht totzukriegen sein wird.

Das Thema Pommern ist in Deutschland seit dem Ende des 2. Weltkrieges verpönt. Als ich in der DDR zur Schule ging, wurde in der pommerschen Schule einer ehemaligen pommerschen Residenzstadt der Name Pommern nicht ein einziges Mal erwähnt. Das wäre einem Zustand zu vergleichen, wenn Kinder in Leoben zur Schule gehen und niemals erfahren, daß das in der Steiermark liegt. Als ich später nach Westberlin gelangte, wollte ich auf einen „Pommern-Ball“ gehen, doch meine Begleiterin, eine Kärntnerin sperrte sich, sie wollte keinen Ärger mit ihren WG-Mitbewohnerinnen bekommen. So gingen wir dann auf den Ball der Österreicher, der immerhin auch ein wenig eleganter war.

Das Herzogtum Pommern ist bekanntlich in mehreren Etappen an das Haus Brandenburg gefallen und von diesem in seinen Preußenstaat eingefügt worden. Wie alle Stände Preußens wurde auch Pommern Teil seiner Provinzialeinteilung, es entstand die preußische Provinz Pommern, wie sie im historischen Gedächtnis bis zum heutigen Tage haften geblieben ist.

Die preußische Provinz Pommern

Diese Provinz war 1815 gebildet worden, in einem Prozeß bereits radikaler Dehistorisierung, der nicht zufällig in Preußen und nach dem Ende des Imperium Romanum einsetzte. Diese von Preußen begonnene Modernisierung wurde vom Nationalsozialismus und von den parlamentarischen Demokratien bruchlos fortgesetzt. Der Preußenstaat war Motor der Moderne mit all ihren unerfreulichen Erscheinungen. Bevor die Provinz Pommern begründet wurde, war Pommern ein aus den vielfältigsten Rechten und Ständen zusammen gefügtes Gebilde, ein typisches Reich im Kleinen also. Dieser Reichscharakter, den Pommern in jeder Beziehung hatte, Preußen aber leider immer weniger, war es, den Paul de Lagarde noch vor Augen hatte, als er in seinen „Deutsche Schriften“ sagte:

„Je mehr latente Fürsten unter einem Volke leben, desto sicherer ist ihm die Monarchie: wir begreifen und lieben nur das, was wir selbst sind oder sein können. Unten Volk, dann eine lange Weile gar nichts, und oben ein Dalai Lama in Uniform, so verstehen wir die Monarchie nicht.“

Das alte Pommern bestand u.a. aus den Herzogtümern Rügen, Pommern-Stettin, Pommern-Wolgast, Wandalien mit Sitz in Stolp, Kaschuben mit Sitz in Köslin, Stargard, dem von den Hohenzollern in der „Reformation“ eingezogenen Hochstift Kammin, und, wie in Norddeutschland üblich, einer Vielzahl von teils sehr umfangreichen geistlichen Stiftungen, der reichsfreien Stadt Stralsund,[3] sowie dem Fürstentum Neumark, einst im Besitz des Deutschen Ordens, vom Preußenstaat mit einem Federstrich aufgelöst und auf die angrenzenden Provinzen verteilt.

Die Entstehung einer preußischen Provinz Pommern mit einer evangelischen Provinzialkirche als Staatskirche wäre ohne die Auflösung und das Ende des alten Imperium Romanum gar nicht möglich gewesen. Und dies nicht nur, weil ja bis 1815 Herzog von Pommern der schwedische König war, der dann übrigens für Pommern Norwegen erhielt, während der dänische König für seine Ansprüche in Norwegen mit dem Fürstentum Sachsen-Lauenburg und einer Geldzahlung abgefunden wurde. Sondern vor allem, weil die Würde des Königs von Preußen de jure an der Reichsgrenze endete, in Pommern war er lediglich Herzog, in Brandenburg Markgraf und Kurfürst.

Diese Tatsache war mir als jungem Student der Geschichtswissenschaft gar nicht bewußt, - Folge der etwas einseitigen DDR-Schulbildung - und ich kann mich noch deutlich erinnern, wie es mir quasi wie Schuppen von den Augen fiel, als ich in einem Aufsatz über den Geheimen Rat im alten Brandenburg die Bemerkung las, daß die Königserhebung der Brandenburger Hohenzollern wegen der Exklusivität der deutschen Königswürde nur außerhalb der Reichsgrenzen, eben in Königsberg möglich gewesen war. Ohne die Ausgliederung des alten Ordensstaates aus dem Imperium Romanum durch den Habsburger Maximilian I. hätte es also gar kein Königreich Preußen geben können, - auch dies ein Hinweise auf die Auswirkungen von Wiener Politik auf unseren norddeutschen Raum. Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang noch anzumerken, daß eine pommersche Prinzessin auch Kaiserin geworden ist, - allerdings zur Zeit des Hauses Luxemburg, die zweite Frau Karls IV. nämlich. Als solche dürfte sie, wie ich vermute, wohl nicht in Wien gewesen sein.

Was war das Reich

Was war nun diese Imperium Romanum, dieses „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“, zu dem Pommern und Österreich gehörten?

Wie alle tatsächlichen und als solche zu bezeichnenden Staatswesen gründet ein Reich, und dies ist allgemeingültig, immer auf dem festen Bündnis von Thron und Altar. Ohne dieses Bündnis ist nicht nur ein Reich nicht denkbar, ohne dieses Bündnis sind weder Recht noch Freiheit, ohne dieses Bündnis ist überhaupt keine gesittete staatliche und somit menschliche Existenz denkbar.

Das Reich basiert zudem stets auf einer übernationalen, übervolklichen geistigen Konzeption. Diese Konzeption charakterisiert nicht nur das Reich selbst, sondern auch alle seine Glieder. Jedes Glied des Reiches ist in sich übernational, mag es auch aus tatsächlicher oder vermeintlicher Stammeswurzel hervorgegangen sein.

Nach christlicher Lehre sind die Reiche dieser Welt von Gott gegründet. In der nicht nur musikalisch, sondern auch dogmatisch höchst bedeutende Kantate J. S. Bachs „Preise dein Glücke, gesegnetes Sachsen“ heißt es zum Abschlusse:


Stifter der Reiche, Beherrscher der Kronen,
baue den Thron, den Augustus besitzt!
Ziere sein Haus
mit unvergänglichem Wohlergeh’n aus!
Laß uns die Länder in Friede bewohnen,
die er mit Recht und mit Gnade beschützt.


Der genannte Augustus war übrigens der sächsische Kurfürst Friedrich August II. und polnischer König August III.[4]

Das Alte Testament enthält bereits eine außerordentlich differenzierte Staats- und Reichslehre. Hier läßt sich übrigens nicht das geringste finden, was auch nur andeutungsweise die Ausführungen des „2. Vatikanums“, beispielsweise zur angeblich geoffenbarten „Religionsfreiheit“ unterstützen könnte. Für die weitere Entwicklung der Staatslehre wurde der Prophet Daniel hoch bedeutsam, denn er projizierte die ihm bekannten geschichtlichen Reiche in eine Theologie der vier Weltreiche: Babylon, Medisch-Persisches Reich, Griechisches Reich und als letztes und Endreich das Römische Reich.

Eine besondere neue Qualität bekam der Reichsbegriff durch das sich seit dem Erscheinen des Heilands im gesamten Imperium Romanum ausbreitende Christentum. Schon früh wurde den Bischöfen und Kirchenvätern der hl. Kirche klar, daß das Römische Reich die Vorform des zu schaffenden christlichen Reichs ist, ja, daß das Imperium Romanum gerade durch die Ausbreitung des kirchlichen Glaubens seinen eigentlichen und wesentlichen Sinn bekommen hatte. Auch deshalb beteten die Christen bereits für die heidnischen Herrscher, nicht zuletzt um deren Erleuchtung durch den hl. Geist. Lange vor der konstantinischen Wende war der Kirche das Gebet für das Heil des Kaisers Pflicht und dies blieb so bis in die 50er Jahre des 20sten Jahrhunderts. Das aufgefundene irdische, das Römische Imperium wurde immer stärker als Abbild des Himmlischen Reichs, wie es durch das Evangelium geoffenbart ist, begriffen. Die Monarchie des Caesar, im heidnischen Imperium oft durch republikanische und anarchische Perioden unterbrochen, wurde analog zum Monotheismus, der im Christentum vollendet wurde, verbindlich.

Die Idee des Reiches als einer vielvölkischen, harmonischen katholischen Staatenfamilie wurde als höchstes Gut geschätzt, als Friedensordnung in dieser Welt. Darin liegt das Bemühen um eine Nachbildung des Vorbildes, des kommenden Reiches Christi, darin liegt die eschatologische Ausrichtung des Heiligen Reiches, des Sacrum Imperium. Der Kaiser verstand sich als Träger einer von Gott verliehenen Macht und wußte sich von daher dem göttlichen Recht unterworfen. Er, der Verwalter des Reiches als des Typus des kommenden Gottesstaates, mußte Gott Rechenschaft ablegen. So sah er sich als Repräsentant des universalen Königtums Christi auf Erden zur Erbauung und Sicherung der friedlichen christlichen Ordnung und als weltlicher Schutzherr der Kirche, die die Garantin des Reichsbestandes war. Das Ziel der Politik war nicht Weltherrschaft, sondern christliche Weltgeltung als Vorbild und Muster.

Aus dem hier gesagten wird, wie ich hoffe, deutlich, daß die Gebilde, die in jüngerer Zeit sich „Reich“ nannten, dies zu Unrecht taten. Dies betrifft sowohl das Deutsche Reich von 1871, das ja bekanntlich den bis heute auch völkerrechtlich wirksamen Deutschland-Begriff schuf, dies betrifft um so mehr die gelegentlich Drittes Reich genannte Herrschaft der Nationalsozialisten, die einen Gegenentwurf zum Sacrum Imperium darstellt, ein Anti-Reich gewissermaßen, das eine vollständige Pervertierung des Reichsbegriffes repräsentierte. Was immer die Nationalsozialisten getan und gelassen haben - es betrifft keinesfalls Wesen und Tradition des Reichs und ebenfalls nicht den Reichsbegriff, da der NS-Staat nichts mit dem geheiligten Imperium gemein hatte und auch kein Reich war.[5]

Man muß sich darüber klar sein, daß die NS-Regierung am 1. Jahrestag ihrer Machtergreifung - die übrigens eine demokratische Machtübertragung im Rahmen einer demokratischen Verfassung war - die letzten Reste der Selbstständigkeit der alten deutschen Reichsglieder im „Gesetz über den Neuaufbau des Reiches“ vernichtete. Im gleichen Zuge wurde die bis dahin geltende Staatsangehörigkeit der Länder vernichtet und die bis heute existierende s.g. „deutsche Staatsangehörigkeit“ geschaffen, Akte die eine tausendjährige deutsche staatliche Tradition vernichteten. Die heutige BRD-Staatsangehörigkeit ist nichts anderes als die von Hitler geschaffene Institution, die damals übrigens hunderttausende im Auslande weilende Deutsche staatenlos machte. Auch die Fahnen der deutschen bzw. österreichischen Länder durften während des „Dritten Reiches“ nicht gezeigt werden.

Der nationalsozialistische Gegenentwurf zum Reich schöpfte nicht nur aus dem vergifteten Quellen der französischen Revolution, sondern war vor allem auch die Erfüllung der demokratischen, schwarzrotgoldenen Vision von 1848, die in ihrem großdeutschen Nationalismus und ebenfalls in ihren Forderungen nach Machtzuweisung an einen totalen Diktator 1933 und 1938 ideologisch unmittelbar vorbereitete, und zwar durchaus auf dem direkten Wege über 1914 und 1918/19. Die Berufung heutiger deutschen Staaten, auch der Pseudorepublik Österreich auf 1848 belegt deren innige Wesensverwandtschaft mit dem NS-Staat. Auch der Weltkrieg wurde bereits 1848 geplant, denn die sogenannte „Deutsche Nationalversammlung“ hatte bekanntlich nichts besseres zu tun, als Angriffskriege zu befehlen.

Translatio Imperii

Die Idee des christlichen Reiches, im alten Rom geboren und von Augustinus theologisch begründet, überlebte die Herrschaft der römischen Kaiser und führte zur translatio Imperii der Übertragung des Kaisertums durch die Kirche auf den Frankenherrscher Karl den Großen und schließlich auf den deutschen König Otto I.

Otto war der dritte deutsche König, eines Königtums, das aus der ostfränkischen Krone hervorgegangen war. Vorgänger war sein Vater, Heinrich I. aus dem sächsischen Hause der Liudolfinger, dessen Vorgänger wiederum Konrad I., ein Franke, der allerdings noch keine epochale Bedeutung gewinnen konnte. Die deutsche Krone wurde gestiftet aus dem Bund der zentralgermanischen Stämme der Bayern, Franken, Schwaben und Sachsen, die sich - auch unter dem Druck beständiger asiatischer Bedrohung - zu einem zunächst losen Zweckverband zusammengeschlossen hatten, der jedoch, in der Lehre der Kirche geeint, und mit höchsten Gnadengaben ausgestattet, die Leitung Europas und die römische Kaiserkrone beanspruchte. Dieser welthistorische Aufstieg der zwischen Nordsee und Alpen siedelnden Stämme hätte weder zu der Entstehung des deutschen Volkes, noch zur Erneuerung des römischen Kaisertums führen müssen. Daß dieses in der uns überlieferten Form geschah, deutet auf den tiefen heilsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen deutschem Volkstum und römischem Missionsauftrag hin, der in den folgenden Jahrhunderten in großartiger Weise zur Entfaltung kam.

Die katholische Mission war für Jahrhunderte Lebenszweck und politisches Ziel der deutschen Kaiser. Otto der Große, in dem von ihm gestifteten Magdeburger Dom bestattet, legte in einer einzigartigen Erneuerungstat die Grundlage für die erhabenste Periode der bisherigen Menschheitsgeschichte. Nicht genug damit, daß er das Reichsgebiet durch das Schwert schirmte und die Feinde in ihre Grenzen verwies,[6] er reorganisierte in kraftvoll schöpferischer Herrscherweise den gesamten Herrschaftsbereich seines Imperiums, erneuerte die Kirche und stellte das Papsttum, jahrhundertelang schwaches Anhängsel der römischen Aristokratie, auf erneuerte Grundlagen, die seiner Menschheitsmission entsprach. Zudem gliederte er die Feinde in sein Reich ein. Es ist von providentieller Bedeutung, daß wir heute wieder über ein Bistum Magdeburg verfügen und ich wage die Voraussage, daß der Magdeburger Dom, heute in der Hand einer kümmerlichen evangelischen „Landeskirche“, wieder zu seiner Kathedralkirche werden wird.

Im Verhältnis des Deutschen Königs zum Bischof von Rom zeigte sich die Stellung des Königtums als Sakramentale, als im Dienste der Kirche und der christlichen Lehre stehendes Heilsmittel. Aus der zunächst vorherrschenden Theorie des Kaisers als Universalbischof ergaben sich in den folgenden Jahrhunderten jedoch häufig Probleme bei der Regelung des Verhältnisses von Reichsleitung und Kirche, doch bei aller Einschränkung, die sich diese Theorie zu Recht gefallen lassen mußte, war es bald ehernes und unumstößliches Gesetz, daß das Reich katholisch verfaßt sei. Die Ausbreitung des katholischen Glaubens an alle Enden der Erde, der Schutz der Lehre der Kirche und ihrer Repräsentanten war die vornehmste Aufgabe des Reiches, in deren Dienst sich alle Glieder zu stellen hatten. An diese Aufgabe haben sich auch heute alle Staaten zu halten, denn sie muß als Grundlage des Völkerrechts gelten.

Die in der Reichsgeschichte aufscheinenden Gegensätze zwischen Papst und Kaiser, zwischen Sacerdotum und Imperium wurden von der modernen Geschichtswissenschaft in oft grotesker Weise übertrieben. Bei diesen Übertreibungen waren sich Borussen, Nationalsozialisten und Demokraten stets völlig einig. Tatsächlich war das Verhältnis von einem hohen Maß an Harmonie bestimmt. Auch der Investiturstreit und kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst können an diesem Befund nichts ändern. In diesem Zusammenhang darf ich an den hervorragenden Kaiser aus dem Erzhause, Friedrich III. erinnern. Er errichtete nicht nur mit dem hl. Stuhl gemeinsam das Bistum Wien, das seither ununterbrochen besteht, wenn auch nicht immer optimal besetzt. Neben Wien wurden auch die Bistümer Wiener Neustadt und Laibach errichtet.

Friedrich III. und das Wiener Konkordat

Die Stagnation des konziliaren Prozesses des 15. Jh. beendete Friedrich gemeinsam mit Papst Nikolaus V. durch das Wiener Konkordat, das für 400 Jahre die Beziehungen zwischen Rom und dem Imperium absolut zufriedenstellend regelte. Man vergleiche diese Zeitspanne mit der Wirksamkeitsdauer sogenannter demokratischer Reformen, die, wenn nicht schon von vorneherein mit lügnerischer und betrügerischer Zielstellung begonnen, meist bereits nach wenigen Monaten ihre völlige Sinnlosigkeit und Kontraproduktivität beweisen. Viele Elemente des Wiener Konkordates sind noch heute Bestandteil des Staatskirchenrechtes.

Das zwischen dem Kardinallegaten Carvaial und Friedrich III. - als Deutscher König übrigens Friedrich IV. - ausgehandelte Konkordat legte fest, daß dem Papst die Besetzung aller geistlichen Stellen eingeräumt wird. Bei Metropoliten- und Kathedralkirchen sowie bei den dem Papst unmittelbar untergebenen Klöstern und Reichsstiftern erfolgte freie Wahl, die im Regelfall der päpstlichen Bestätigung unterlag. Ferner stand dem Papst die Besetzung der Kanonikate und Benefizien an den Kathedral- und Kollegiatkirchen bei Erledigung in den ungeraden (d.h. also päpstlichen) Monaten zu. Von allen zur Erledigung kommenden Bischofsstühlen sollen aufgrund neuer Taxierung die servitia communia (d.h. die Unterhaltsabgaben der Bistümer und Abteien für den hl. Stuhl) an die Apostolische Kammer gezahlt werden, allerdings maximal einmal in 12 Monaten.

Wahlspruch des Kaisers war: „Rerum irrecupabilium summa felicitas est oblivio“ (Das größte Glück liegt im Vergessen des Unwiederbringlichen), daher die Arie „Glücklich ist, wer vergißt, was nicht mehr zu ändern ist“ aus der „Fledermaus“. Bekannt ist auch seine Devise A.E.I.O.U.: „Austriae est imperare orbi universo“ bzw. „Alles Erdreich ist Österreich untertan.“ Seine Politik der ruhigen Hand, vom BRD-Kanzler Gerhard Schröder erfolglos zu kopieren versucht, wirkte Segen für viele Generationen.

Das Deutsche Volk als Gottesvolk des Neuen Bundes

Die deutsche Sendung kann man letztlich nur übernatürlich von Gott her gesehen begreifen. Was ist die Wurzel des Deutschen bezüglich seiner Weltaufgabe im christlichen Sinn, die eben die Reichsaufgabe war? Die deutsche Sendung weist eindeutig auf Israel hin, auf das Königtum Davids. Wie Israel ein Gottesstaat war, wo die Religion das öffentliche Leben geprägt hat, wo der König berufen war, das Volk im Glauben zu erhalten und zu schützen, so ging diese Sendung und Aufgabe über den Papst an den deutschen König als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches über.

Die Deutschen als Reichsvolk stellten sich ganz in den Dienst der Reichsaufgabe: Missionierung, Ausbreitung der christlichen Kultur in den heidnischen Osten, später Mitaufbau eines christlich gewordenen Ostens oder die Abwehr antichristlicher Angriffe aus Asien. So fand das Deutschtum, eingebunden in das Reich und in die Reichsaufgabe, seine Sendung, sein Maß und seine Erfüllung. Die Deutschen führten gleichsam ein zweifaches Leben: als raumgebundenes Siedlungsvolk in den westlichen und mittleren Breiten der Erdteilsmitte und dann als der stärkste Träger einer den deutschen Raum weit übergreifenden Idee, nämlich der Reichsidee als des universalen Gottesstaates, des Corpus Christianorum.

Darin fand und verwirklicht sich deutsches Wesen, darin trug Deutschland zu einer europäischen Friedensordnung bei, darin fand Deutschland Ausgleich und sein Gleichgewicht. Das Reich war kein national-deutsches Reich, war kein Nationalstaat. Die Grenzen des Deutschtums im Osten nach Polen und Rußland zu, nach Böhmen, Mähren, Ungarn, Buchenland, Balkan und im Westen in die Ardennen, das Hennegau und Flandern waren nicht fest, sondern übergehend, fließend, offen. Ferner gab es deutsche Siedlungsgebiete, ganze Regionen, in anderen Staaten und Weltteilen.

Auffallend ist ferner, daß der Patron Israels als des Gottesvolkes im Alten Bund und der Patron Deutschlands als des Gottesvolkes im Neuen Bund der hl. Erzengel Michael ist, der Verteidiger des Volkes Gottes. Im Neuen Bund nimmt Deutschland die Sendung Israels ein für die Kirche. Das deutsche Volk trug die Reichsaufgabe und deshalb wurde es der Gegenstand des Ringens. Die Invasion der Dämonen, wie sie sich seit der Niederlegung der Kaiserkrone immer deutlicher bemerkbar machte, galt dem Ziel, diese Schau Gottes aus dem Herzen des Volkes zu reißen, um die Macht Christi zu unterhöhlen. Dieser Kampf blieb lange Zeit unerkannt, die Menschen langsam und unwiderstehlich in seine Entwicklung hineinziehend.

„Unwiderruflich sind die Gnadengaben und Berufungen Gottes“ (Röm. 11,29). Das gilt nicht nur für Israel im Alten Bund, das gilt auch für das im Neuen Bund berufene deutsche Volk. Im Urteil der Kirche, in den Augen Gottes hat das Heilige Römische Reich als die Herzmitte und Verkörperung christlicher Zivilisation weiterhin Bestand als ideelle Wirklichkeit und somit auch die Bedeutung Deutschlands im Heilsplan Gottes. So hat Papst Pius VII. die Auflösung des Reiches durch den letzten Kaiser Franz II. nicht anerkannt und betont, daß das Reich weiter besteht, als bleibende Aufgabe für uns und für die Zukunft.

Da eben dieser besondere Auftrag Gottes für die Deutschen - die Sendung für die Kirche und Schaffung eines neuen christlichen Reiches - in entscheidenden Stunden der deutschen Geschichte verleugnet wurde, belegte Gott unser Land mit dem Zeichen des Kreuzes zu Buße und Umkehr: die durch die Reformation hervorgerufene religiöse Teilung Deutschlands in Nord und Süd und die nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte Teilung in Ost und West.

Katholische Geschichtstheorie

Im 13. Jh. gelangten dem Hause Anjou ergebene Kleriker auf den Stuhl Petri. Sie waren Gegner sowohl der Bindung des Imperiums an die deutsche Krone, als auch der Rolle des Kaisers als Schützer der Kirche. Eine Eliminierung der Gebete für Kaiser und Reich aus den Meßbüchern wurde angeordnet. Ferner wurde geplant, das Imperium und damit die Kaiserwürde auf Frankreich zu übertragen, das deutsche Regnum aufzuteilen und in „gewöhnliche“ Königreiche umzuwandeln.

Gegen diese Pläne erstand machtvoller Widerstand aus der deutschen Kirche. Die Eliminierung der Gebete hatte den Klerus hellhörig gemacht. Die deutschen Prälaten wußten um die heilsgeschichtliche Bedeutung des Imperiums und gedachten nicht, es widerstandslos preiszugeben. Der Magister Jordanus von Osnabrück unternahm es im Jahre 1260 zunächst, alle biblischen Zeugnisse dafür zusammenzustellen, daß das „Imperium Romanum“ nach Gottes Willen zugleich mit dem Evangelium unter Augustus in die Welt gekommen sei und, unentbehrlich für dessen Fortbestand, den Antichrist und das Weltende aufhalte. Seinen Traktat nahm der Kölner Kanoniker Alexander von Roes 20 Jahre später in eine Denkschrift für den Kardinal Jakob Colonna auf, in dessen Gefolge er erlebt hatte, wie an der römischen Kurie die Franzosen nach Kaiser- und Papsttum griffen und wie die Päpste das Imperium mißachteten.

Roes war ursprünglich Kanoniker am Kanonissenstift St. Marien auf dem Kölner Kapitol. Um 1280 kam er zur römischen Kurie und wurde Familiare des Kardinals, dem sein Buch, das sogenannte Memoriale gewidmet war. Roes erkannte, daß die Realisierung der französischen Pläne nicht nur das Reich in große Gefahr gebracht hätte, sondern auch die Christenheit aufs Höchste gefährden würde. Er befürchtet, daß bei einer Abkehr vom Kaisertum die Kurie das gleiche Schicksal erleiden werde, wie die Juden, als diese ihren König verleugneten und riefen: „Wir haben keinen König.“ So wenig ein Schiff mit einem Riemen, so wenig kann das Schifflein Petri nur mit dem Papst gelenkt werden.

In seiner Reichslehre geht Alexander von Roes von drei Völkern aus, den Juden, Christen und Heiden. Die Christenheit ist in der Kirche zusammengefaßt und stellt den höchsten Inbegriff der Menschheit dar. Sie gliedert sich gemäß Roes im Wesentlichen in drei Teile: Italien, Frankreich, Deutschland. Diesen Teilen gehören zusammen, sie sind aufeinander angewiesen und repräsentieren eine höhere Einheit. Gemäß den besonderen Charismen und Begabungen sind den in den drei Teilen lebenden Völkern auch verschiedene Aufgaben von der Kirche zugewiesen. Charismen der Italiener sind die Freude am Besitz, dazu Nüchternheit, Verschwiegenheit, Langmut und Klugheit. Deshalb ist Italien das Papsttum zugewiesen worden. (Roes weiß natürlich, daß es auch nichtitalienische Päpste gegeben hat und geben kann.) Den Deutschen eigen ist die Freude am Herrschen, verbunden mit Großherzigkeit, freiem Sinn, Tatkraft und Mitleid mit den Schwachen. Deshalb gebührte ihnen zu Recht das Kaisertum. Charisma der Franzosen ist die Freude an der Lehre. Dazu kommen Rechtlichkeit, Maß, Eintracht, Weltgewandtheit. Deshalb ist ihnen das Studium zugewiesen worden, und damit meint von Roes die Pariser Universität.

Für Jordanus und Roes stellt das zentrale Argument für das Imperium die Tatsache dar, das Christus selbst dem „Imperium Romanum“ die größte Ehre durch sein Erscheinen in den Grenzen des Imperiums erwiesen hatte. Nicht in irgendeinem Staat wollte und konnte der Heiland seinen Erdenwandel beginnen, es sollte das Römische Reich sein, das offensichtlich schon durch diese Tatsache einen herausgehoben Platz im Heilsplan einnimmt. Auch auf seinem Lebensweg zeigte der Erlöser Treue zu dem Staat, dem er Zeit seines Lebens angehörte. Jesus zahlte dem „Imperium Romanum“ die vorgeschriebenen Steuern und erwartete dies auch von seinen Anhängern (Matt 17, 24-27). Entsprechend der bis in die Neuzeit hinein vertretenen Theologie deutet Roes die Stelle bei Lukas, in welcher von zwei Schwertern die Rede ist, als Hinweis auf die beiden von Christus eingesetzten Gewalten im „geheiligten Reich“, Papst und Kaiser. Pilatus wurde laut Joh 19,11 von Jesus auf den hingewiesen, der ihm seine Gewalt übertragen hat, den römischen Kaiser, in diesem Falle den Kaiser Tiberius:

Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben; darum, der mich dir überantwortet hat, der hat größere Sünde.

Doch nicht nur die Hinweise auf das Verhältnis Christi zur weltlichen Gewalt des „Imperium Romanum“ werden von Roes angeführt, auch weitere Bibelstellen interpretiert Roes im selben Sinne. Er zitiert aus dem Zweiten Brief an die Thessalonicher:

„Laßt euch durch niemand und auf keine Weise täuschen! Denn zuerst muß der Abfall von Gott kommen und der Mensch der Gesetzwidrigkeit erscheinen, der Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, daß er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt. Ihr wißt auch, was ihn jetzt noch zurück hält, damit er erst zur festgesetzten Zeit offenbart wird. Denn die geheime Macht der Gesetzwidrigkeit ist schon am Werk, nur muß erst der beseitigt werden, der sie bis jetzt noch zurückhält. Dann wird der gesetzwidrige Mensch allen sichtbar werden.“

Roes interpretiert die Perikope im Sinne des Kirchenvaters Augustinus, der in De civitate Dei, Buch 20 ausgeführt hatte:

Was der Apostel sagt: „Der es jetzt hält, der mag es halten, bis es hinweggetan wird“, das läßt sich ohne Widersinn auf das Römische Reich beziehen, als sei damit gesagt: „Der jetzt herrscht, mag herrschen, bis er hinweggetan, hinweggenommen wird, alsdenn wird der Bösartige offenbar werden“ unter dem ohne alle Zweifel der Antichrist zu verstehen ist.“

Das „Imperium Romanum“ gilt also Augustinus und der ihm folgenden Theologie als katechon, der Aufhalter des Widerchrist.[7] Da diese Lehre von der katholischen Tradition einheitlich fortgeschrieben wurde, darf man sie als gesichert und Teil des Glaubensgutes betrachten. In dieser Interpretation sind Augustinus auch protestantische Theologen gefolgt. Die „Lutherbibel erklärt“ aus dem Jahre 1987 kommentiert die Stelle in demselben Sinne: „Paulus sagt nicht, durch wen das geschieht. Vielleicht denkt er an staatliche Ordnungen, wie sie ihm im Römischen Staat begegneten.“

Nach der Wegname des katechon bricht eine unvorstellbare Leidenszeit an, die allerdings, so Roes, nur etwa 100 Jahre dauern werde, danach sei mit dem Weltende zu rechnen. Wer dem Römischen Reich feindlich gegenüber steht, muß sich also die Leiden der Endzeit zurechnen lassen:

„Wenn der Antichrist nicht kommt, ehe das Reich zerstört wird, dann sind unzweifelhaft alle, die darauf hinwirken, daß das Reich nicht mehr sei, eben dadurch Wegbereiter und Vorläufer des Antichrist! Deshalb mögen die Römer und ihre Päpste sich hüten, daß nicht durch ihre Sünde und Schuld nach Gottes gerechtem Spruch das Reich von ihnen genommen werde! Ebenso mögen die Bischöfe und Fürsten Deutschlands sich hüten, aus Gier nach weltlicher Macht sich Rechte und Güter des Reiches widerrechtlich anzueignen. Denn es muß zwar das Ärgernis kommen, doch wehe denen, durch welche das Ärgernis kommen wird!“

Die historisch begründete Heilslehre führt Roes zu einer biblisch begründeten Lehre von der Abfolge der Heilszeiten und zwar der Heilszeiten im geschichtlichen Sinne. Am Anfang steht die Ära der „Unschuld“, das Leben der Ureltern im Paradies. Der Sündenfall führt in die Ära des „Naturgesetzes“ hinein, das Zeitalter der Menschheit, in dem sie einzig mit dem Naturrecht leben mußte. Erst die Offenbarung des Moses am Berg Sinai führt in die Ära des „Geschriebenes Gesetz“ hinein, das von der mit der Inkarnation Christi beginnenden „Gnadenzeit“ abgelöst wurde, die dank der Heilswirkung des Imperium noch immer anhält. Die Gnadenzeit wiederum gliedert sich die Perioden der vier Trübsale. Jede dieser Perioden ist in der Heiligen Schrift prophezeit und hat eine bestimmte heilsgeschichtliche Bedeutung.

Am Beginn steht die Zeit der Verfolgung und der Märtyrer. Ihr entspricht die Prophezeiung laut Math. 2, 16-18, das sogenannte Bethlehemitische Kindermassaker. Auf die Märtyrerzeit folgt die Periode der Verfolgung der Kirche durch die Ketzer. Sie wurde in der Heiligen Schrift angezeigt durch die Dispute Christi mit Pharisäern und Sadduzäern. Mit dieser Periode sind die Verfolgung der Kirche durch Arianer, Pelagianer und Katarer gemeint. Es darf nicht verschwiegen werden, daß all diese Gruppen auch heute noch ihr Unwesen treiben und die Kirche Christi verfolgen, wo sie nur können.

Nachdem die Kirche über die Ketzer triumphiert hatte, folgte in der Zeit des dritten Trübsals die Reinigung des Klerus von der Simonie, der Käuflichkeit der Ämter und anderer klerikaler Sünden. Diese Trübsal wurde im Bericht der Reinigung des Tempels nach Math. 21, 12 ff. prophezeit. Hier ist der zur Zeit von Roes noch aktuelle Investiturstreit gemeint. Nach der Reinigung des Klerus treten Welt und Kirche in die vierte Trübsal ein, die Zeit der Verfolgung der Kirche durch den sich zeigenden Widerchrist. Diese heilsgeschichtliche Periode ist durch das Leiden Christi am Kreuz prophezeit worden. Sie führt direkt hin zur Parusie, zum Säkulum des Gloria, der göttliche Vollendung, die vom Weltende bis in die Ewigkeit und somit aus der geschichtlichen Zeit heraus führt, diese zusammenfassend und vollendend.

So weit die Reichslehre des Alexander von Roes, die mit ihren verschiedenen Varianten und Modifizierungen als katholische Geschichtstheorie über Jahrhunderte verbindlich war. Bis hinein in der Neuzeit gab es Rechtsdenker, die die katholische Geschichtstheorie fortschrieben und weiterentwickelten, ich nenne hier nur den Gießener Staatsrechtler Dietrich Reinking, der die modernen Souveränitätslehren bereits vor Beginn des 30jährigen Krieges sachgerecht widerlegte und mit vollem Recht ausgeführte: „Die moderne Staatsräson ist eine Teufelsräson, das Gesetzbuch Gottes und dessen Observanz hingegen die beste ratio status und Versicherung des Staates.“ Fast 400 Jahre geschichtlicher Entwicklung seither sollten ihm Tag für Tag Recht geben.

Das Ende des Imperiums

Die große Mehrheit der Deutschen dachten und empfanden bis zum Ende des Imperiums völlig reichstreu. Man lasse sich durch das verzerrte Bild, das borussische, demokratische und nationalsozialistische Pseudo-Historiker vom Ende des Reiches zeichneten, nicht verwirren. Bis zum Jahr 1806 war in den Reichsgliedern keine Reichsmüdigkeit festzustellen, hingegen ein immer stärkeres Drängen auf eine Reichsreform, auf eine Verbesserung der Fähigkeiten, mit bestimmten Herausforderungen fertig zu werden, d.h. auf eine Stärkung des Imperiums. Dieses Drängen auf Reichsreform entsprang auch keiner Unzufriedenheit mit dem Reiche an sich, sondern dem Erschrecken über die immer stärker werdende Bedrohung des Imperiums durch Demokratie und Sozialismus.

Es sei auf den Drei-Kurfürsten-Bund zwischen Brandenburg, Sachsen und Hannover im Jahre 1785 hingewiesen, dem sich Anhalt-Dessau, Baden, Zweibrücken und Sachsen-Weimar anschlossen, sowie Kurmainz, Zweibrücken, Hessen/Kassel, Braunschweig, Sachsen-Gotha, Baden, Mecklenburg und Osnabrück, es sei auf die Emser Punktation der Geistlichen Kurfürsten von 1786 hingewiesen, die auf eine Straffung der politischen Willensbildung im Reich zielte. Auch die Friedenschlüssel von Basel, Campo Formio und Lünstadt enthalten Elemente einer solchen Reichsreform. Selbst der Reichsdeputationshautschluß, so unschön er gewesen ist, hatte einen konservativen, reichstreuen Grundzug, und er schuf auch in bestimmten Bereichen dauerhafte Stabilität mit nicht zu unterschätzendem Wert. Nicht Auflösung, sondern Erhalt des Imperiums war sein Ziel.

Das Reich war in der Lage, noch auf die Herausforderungen durch die französische Revolution sachgerecht zu reagieren, unter anderem auch durch ein lobenswertes Reichsgesetz im Jahre 1793, welches die Bildung von Clubs nach französischem Vorbild verbot. Im folgenden Jahr versuchte der Kaiser ein Reichsgesetz gegen die Freimaurerei durchzubringen, scheiterte aber an Brandenburg, Braunschweig und Hannover. Die Reichsstände waren verpflichtet, derartige Reichsgesetze durchzuführen und die überwiegende Mehrheit der Stände verhielt sich auch diesbezüglich absolut reichstreu. Leider sollten gerade den kleineren Reichsständen ihre Treue nicht gelohnt werden - sie wurden in den folgenden Jahren enteignet und „mediatisiert“.

Letztlich konnte sich aber kaum jemand in der Reichsleitung und an den Höfen die teuflische Bosheit ermessen, die sich hinter Begriffen wie Aufklärung, volonté générale, Demokratie, Volkssouveränität etc. verbarg. Diejenigen, die erkannt hatten, worum es ging, waren im Allgemeinen nicht an den Höfen bzw. wurden nicht gehört, ich nenne als primus inter pares nur Matthias Claudius, den Wandsbecker Boten, übrigens auch von Schubert 14 mal vertont.[8]

Die Diskussion um eine Reichsreform verstärkte sich im Verlaufe der Koalitionskriege und der französischen kriminellen Aggressionen. Man empfand, daß „das Imperium eine Null ist zum Auslande, im Innern eine echte „societas leónina“,[9] territorial lediglich vorübergehende Scheidewand zwischen Frankreich und Rußland. Gentz betrachtete diese Schwäche als Ursache für die gesamte europäische Problematik, er prägte den bekannten Satz: „Europa ist durch Deutschland gefallen; durch Deutschland muß es wieder emporsteigen.“[10] Die Juristen des Hannoveraner Hofes forderten noch 1806 den Erhalt des Imperiums, mit dem Argument, daß nur im Rahmen des Imperiums der Bestand Hannovers gewährleistet werden könne![11]

Konzepte der Reichsreform

Wie sahen die Konzepte aus, die zur Grundlage einer Reichsreform entwickelt wurden? In den Vordergrund trat während der Zeit der Koalitionskriege die Idee eines „Erbkaisertums“, einer Idee, die bereits in der Stauferzeit erwogen wurde. Um ein festes monarchisches Zentrum für ganz Deutschland zu gewährleisten, sollte das schwache Wahlkaisertum in ein dynastisches Erbkaisertum umgewandelt werden. Als Dynastien kamen bereits zu Anfang des 19. Jh. nur Habsburg und Hohenzollern in Frage. Von den verschiedenen Autoren, die ein österreichisches Erbkaisertum für ganz Deutschland, d.h. eine letztlich großdeutsche Lösung fordern, möchte ich gern den Pommern Ernst Moritz Arndt nennen, bekannt durch die martialischen Gesänge „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“ und „Was ist des Deutschen Vaterland?“, allerdings auch durch viele christliche Volkslieder z.B. „Du lieber, heilger, frommer Christ.“ Er anerkannte die Vorrangstellung des Erzhauses und sagte:

„Wollen wir das große Werk nicht durch Zwietracht verderben, so muß wohl ein preußischer Staat bleiben, obgleich glücklicher für Deutschland nur ein Reich wäre von der Ostsee bis zu den Alpen, [deshalb sei] Österreich der Vereinigungspunkt, das Haus Habsburg soll herrschen.“

Der Preuße Massenbach forderte hingegen einen Fürstenbund unter einem preußischen Erbkaiser. Viele Stimmern pflichteten ihm bei, auch solche aus den kleineren Ständen sowie aus Bayern.

In vielen Vorschlägen zur Reichsreform tauchte die Forderung nach einer Verminderung der Reichsstände auf.[12] Der schwäbische Pfarrer Johannes E. Pahl schlug 1801 in einer deutschlandweit beachteten Schrift vor, die Zahl der Reichsstände auf 12 zu reduzieren, damit das Reich erhalten bleiben könne. Die Gerichtsbarkeit solle erheblich verbessert werden. Der Zar soll den Bestand des Reiches garantieren. Keinesfalls darf aber der Bestand des Ganzen gefährdet werden:

„Das teutsche Reich ist ein unzertrennlicher und unteilbarer Staatskörper, dessen Glieder zusammen ein Ganzes ausmachen und deren keines verletzt werden kann, ohne daß das Ganze seine Wiederherstellung bewirke.“

Man muß sich allerdings fragen, warum die Zahl der Stände hätte reduziert werden sollen, wenn „das Ganze seine Wiederherstellung bewirke“. Der Reichsdeputationshauptschluß bewirkte zwei Jahre später eine Reduzierung der „Zahl der Stände“, ohne daß eine Wiederherstellung erfolgte.

Der Hofrat Braun, Beamter des Reichstags in Regensburg, forderte die Wiederbelebung und genaue Befolgung der Reichsverfassung als Heilmittel im Jahre 1802. Etwa 1805 fordert Niklas Vogt einen Fürstenbund, allerdings unter Beibehaltung der Kurwürde und der Königswahl. Gentz, Müller, Stein und andere erhoffen seit etwa 1810 von einer Föderalisierung Deutschlands eine Föderalisierung Europas und eine Sicherung dieses Föderalismus durch die Flankenmächte. Der Deutsche Bund war die Erfüllung dieser Reformpläne.

In vielen Reichsreformplänen spielt eine teils radikale Säkularisation eine zentrale Rolle. So forderte Julius Graf von Soden, der preußische Kreisbevollmächtigter in Franken, die vollständige Säkularisation des Reiches. Es darf als katastrophal angesehen werden, daß der Reichserzkanzler und Kurfürst von Mainz die Säkularisation bejahte. Er war allerdings Freimaurer, Stuhlmeister der Loge Johannes zur brüderlichen Liebe. Ihm zu Ehren wurde in Erfurt, bekanntlich zu Kurmainz gehörend, die Loge „Karl zu den 3 Rädern“ gegründet. In der Familie Dalberg war das Freimaurertum obligatorisch und man hat den Eindruck, daß das Freimaurerwesen besonders in Mainz seither endemisch ist.

Hegel sah den Niedergang des Reiches als eine Folge der inneren Unwahrhaftigkeit im Widerstreit von Sollen und Sein. Er machte interessante Vorschläge zur Reichsreform, die aber zu Ende gedacht etwa auf 1933 und 1938 zielten. Sein Denken beeinflußt erheblich die „Nationalversammlung“ von 1848 und in Folge das liberale und säkulare Staatsdenken. Obwohl Hegel häufig über den Linkshegelianismus mit dem Marxismus in Verbindung gebracht wird, ist er doch in viel höherem Maße für Nationalismus und großdeutsches Denken verantwortlich zu machen - beide übrigens mit Kommunismus und Sozialismus in enger geistiger Verwandtschaft stehend.

Johann Gottlieb Fichte

Etwas günstiger zu beurteilen ist der in Rammenau in der Lausitz geborene Johann Gottlieb Fichte, der Hegel auf dem Katheder der Berliner Universität folgte. Für Fichte ist nicht die Nation Quelle des Staatswillens, sondern eine Sittlichkeit, die in der Erziehung zur Religion ihre Aufgabe findet.

„Die Erziehung zur wahren Religion ist … das letzte Geschäft der neuen Erziehung. … es sei nicht die bloße Sittlichkeit, die da treibt, - denn diese will einen Zweck, sondern es ist die Religion, die Ergebung in ein höheres und unbekanntes Gesetz.“

Der Staat hat also für ihn vorzüglich einen religiösen Auftrag. Immerhin sieht auch Fichte, das Reich als eine völkische Organisation der Freien, in der für die Fürsten letztlich kein Platz ist. Dieses Denken ist inzwischen so weit verbreitet, daß selbst der bayerische Kronprinz und spätere König Ludwig I. fragte, „ob vielleicht erst dann Deutschland ein mächtiger Staat werden könne, wenn wir deutschen Herrschergeschlechter alle werden verjagt sein?“. An ihre Stelle soll, so Fichte, ein Universalmonarch treten, der aber wegen der auswärtigen Bindungen nicht von Habsburg sein könne, sondern ein Hohenzoller sein müsse.[13] Dies eine für Berliner Professoren typische Position. Fichte kann als theoretischer Begründer des kleindeutsch-preußischen Erbkaisertums gelten.

Klarer, tiefer und umfassender hat allerdings der Ex-Berliner Adam Heinrich Müller von Nittersdorf, eine der hervorragendsten Figuren der Epoche, diesen Gedanken zu einem katholischen Ende geführt. Seine Vorstellungen eines „religiösen Bundes“ der europäischen Staaten wurde zum Grundgesetz der Heiligen Allianz.

Die Jahre 1804 bis 1806

Obwohl es nicht der Gegenstand meines Vortrages ist, möchte ich doch noch einige Aspekte der Rechtslage in den letzten Jahren des Reiches streifen. So verständlich der Wunsch nach Rangerhöhung von 1804 auch sein mag, war die Realisierung doch nur unter Verletzung des Reichsrechtes möglich. Friedrich von Gentz schrieb dazu in einem Brief an Metternich: „Ein Kaiser von Österreich ist … ein wahrer politischer Solözismus. Heinrich Ritter von Srbik schreibt dazu: „Solange das Reichsband … erhalten war, enthielt der Begriff und Name „erblicher Kaiser von Österreich“ eine contradictio in adjecto. Seine Basis hätte rechtlich lediglich das vom Reich unabhängige Königreich Ungarn sein können. Nimmer aber konnte ohne Verletzung des Reichsrechts der österreichische Kreis, der im Eigentum des Reichs stand, unter die Kaiserwürde gestellt werden.“ Tatsächlich wurde damals auch der Titel „Empereur d’Hongrie et de Gallicie.“ in Betracht gezogen. Eine Umwandlung der römischen Kaiserwürde in ein Erbkaisertum und die Übertragung auf das Haus Österreich wurde nicht geprüft. Das einzige Argument, das aus den Quellen erkennbar ist, war der Wunsch des Hauses Österreich, seine tatsächliche Vorrangstellung durch Rangerhöhung zu sichern und zu erhalten.…

Ähnlich verhält es sich mit der Niederlegung der römischen Krone im Jahre 1806. Der Kaiser hatte weder das Recht, seine eigenen Länder vom Reiche abzulösen, noch das Recht, irgend einen der Reichsfürsten aus seinen Reichspflichten zu entlassen. Das Ende des Imperium Romanum konnte somit durch eine einseitige Erklärung des Kaisers, wie immer diese Erklärung aussah und was ihr Inhalt war, nicht bewirkt werden. Die kaiserliche Regierung konnte zwar durch Thronentsagung, Absetzung durch die Kurfürsten, hohes Alter, Krankheit oder durch lange Abwesenheit vom Reich beendet werden, man denke nur an die Thronentsagungen der Kaiser Lothar I. oder Karl V. Bei Ende der kaiserlichen Regierung wurde aber nach geltendem Recht das Reichsregiment auf die Reichsvikare übertragen. Dies war die Rechtslage auch 1806. Mit der Erklärung von Franz II. endete lediglich dessen Amtszeit als deutscher König und Römischer Kaiser. Das Reich als Rechtskorpus blieb bestehen, samt allen Pflichten seiner Glieder. Die kaiserliche Erklärung war unwirksam. Dem hessischen Fürstenhause ist zu danken, daß es diesen Rechtsstandpunkt vertrat, indem es den Titel eines Kurfürsten bestehen ließ. Er blieb ein Denkmal der Reichstreue bis zur preußischen Aggression von 1866. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Rechtmäßigkeit der Reichsauflösung nicht allgemein anerkannt worden ist. Führende deutsche Männer, wie Freiherr von Gagern (d. Ä.) im Auftrage des Fürsten von Nassau-Usingen, auch er übrigens vom pommersch-rügenschem Stamme, vom Auslande Rußland, England und Schweden hielten an der rechtlichen Weiterexistenz des alten Reiches fest. Auch der Heilige Stuhl hat diese Auffassung geteilt.

Bekanntlich hatte Papst Pius V. hat das Karfreitags- und das Karsamstagsgebet für den Kaiser unter Verbot jeder Änderung ins reformierte Meßbuch aufgenommen und damit für die ganze Kirche vorgeschrieben. Es war das tridentinische Bekenntnis zum römischen Reichsgedanken. An diesen Gebeten wurde auch nach 1806 eisern festgehalten. Auf eine Anfrage des Bischofs von Cattaro 1839, ob wegen des Verzichtes Franz II. auf die Römische Kaiserwürde das Karfreitagsgebet der staatsrechtlichen Veränderung anzupassen sei, antwortete die Ritenkongregation mit Nein. Erst im Jahre 1860 wurde die Änderung vorgenommen. Doch hatte Rom hat den Reichsgedanken weder auf dem Schlachtfelde von Austerlitz noch von Magenta und Solferino begraben. Noch in demselben Jahre 1860 bestimmte die Ritenkongregation, daß die Gebete für den Römischen Kaiser am Karfreitag und Karsamstag, wenn sie auch nicht mehr verrichtet werden, trotzdem in die Neuausgaben des Meßbuches aufzunehmen seien.

Dagegen hatten die durch den Preßburger Frieden zur vollen Souveränität gelangten deutschen Fürsten nichts Eiligeres zu tun, als jede Erinnerung an Kaiser und Reich aus der Liturgie auszumerzen und sich selbst an ihre Stelle zu setzen. Das bayerische Ministerium erließ schon am 26. 3. 1806[14] eine Verordnung, daß fortan am Karfreitag und Karsamstag für den König von Bayern unter Benützung der bisher für Kaiser und Reich üblichen Formeln zu beten sei, wobei in der Eile die Sinnlosigkeit der Formulierung ganz übersehen wurde.

Durch die Erklärung von 1806 gingen bedeutende Glieder des Reichsverbundes für immer verloren. Neben anderen Ständen waren dies die Hochstifter Basel, Chur und Genf, die Reichsklöster Disentis, Beckenried, Schaffhausen, Stein am Rhein, Einsiedeln, Sankt Johann im Thurtal, Pfäfers, Sankt Gallen und Kreuzlingen, die Reichsstädte Basel, Hagenau, Lauterburg, Schaffhausen, Sankt Gallen und Weißenburg/Elsaß, die Grafschaften Mömpelgard, Salm, Saarwerden, Kriechingen zu Wied, Bitsch, Phillipsburg, Horburg und Werdenberg-Heiligenberg, sowie die Herrschaften Tarasp und Sargans.

Gründung der Heiligen Allianz

Obwohl trotz des teuer erkauften Sieges viele Reichsstände nicht wieder Teil Deutschlands wurden darf man von Glück sagen, daß dann in Paris die Heilige Allianz und in Wien die Deutsche Bundesakte beschlossen wurde. Diese Gesetzeswerke sicherten Europa ein Jahrhundert der Stabilität, des Reichtums und die Freiheit einer wunderbaren geistigen und seelischen Entwicklung. Zwar nannte Görres die Bundesakte eine „jämmerliche, unförmige Verfassung“, doch selbst die Mängel der Deutschen Bundesakte waren noch tausendmal besser als sämtliche Verträge, die seit dem Ende der alteuopäischen Ordnung, die in Wien fortgeschrieben wurde, geschlossen wurde. „Im Namen der heiligen unteilbaren Dreieinigkeit!“ wurde dieser Bund geschlossen:

Ihre Majestäten der Kaiser von Österreich, der König von Preußen und der Kaiser von Rußland haben durch die großen Ereignisse, die Europa die letzten drei Jahre erfüllt haben, und besonders durch die Wohltaten, die die göttliche Vorsehung über die Staaten ausgegossen hat, deren Regierungen ihr Vertrauen und ihre Hoffnungen auf sie allein gesetzt haben, die innere Überzeugung gewonnen, daß es notwendig ist, ihre gegenseitigen Beziehungen auf die erhabenen Wahrheiten zu begründen, die die unvergängliche Religion des göttlichen Erlösers lehrt.

Dies die Präambel des Gründungsmanifests der Heiligen Allianz vom 26. September 1815. Man vergleiche allein die Sprache, aber auch die auf einen dauerhaften, stabilen und ehrenvollen Frieden gerichtete Zielsetzung mit den Pseudo-Verträgen von St. Germain, Trianon, Sèvres, Neuilly und Versailles, die auf nichts als eine Fortsetzung von Haß und Zerstörung ausgerichtet waren.

Deutschland im Ausblick auf die Restauration des Imperium Romanum

Reichsbestrebungen nach 1815

Daß in Wien das Imperium nicht wieder aufgerichtet wurde, hat die Deutschen, insbesondere die Frömmsten und Treusten allerdings tief enttäuscht. Die Sehnsucht nach dem Reich, die Sehnsucht nach dem Kaiser, der den Deutschen genommen wurde, prägte die gesamte Zeit nach 1815 tief. Kaum einer hat diese Sehnsucht besser formuliert als der Lübecker Dichter Emanuel Geibel[15] in einem Gedicht, das häufig verstümmelt zitiert wird:

1. Solls denn ewig von Gewittern
am umwölkten Himmel brau’n,
soll denn stets der Boden zittern,
drauf wir unsre Hütten bau’n,
oder wollt ihr mit den Waffen
endlich Rast und Frieden schaffen?


2. Daß die Welt nicht mehr, in Sorgen
um ihr leicht erschüttert Glück,
täglich bebe vor dem Morgen,
gebt ihr ihren Kern zurück!
Macht Europas Herz gesunden,
und das Heil ist euch gefunden.


3. Einen Hort geht aufzurichten,
einen Hort im deutschen Land!
Sucht zum Lenken und zum Schlichten
eine schwerterprobte Hand,
die den güldnen Apfel halte
und des Reichs in Treuen walte.


4. Sein gefürstet’ Banner trage
jeder Stamm, wie er’s erkor,
aber über alles rage
stolz entfaltet eins empor:
Hoch, im Schmuck der Eichenreiser,
wall’ es vor dem deutschen Kaiser!


5. Wenn die heil’ge Krone wieder
einen hohen Scheitel schmückt,
aus dem Haupt durch alle Glieder
stark ein ein’ger Wille zückt:
wird im Völkerrat vor allen
deutscher Spruch aufs neu erschallen.


6. Dann nicht mehr zum Weltgesetze
wird die Laun’ am Seinestrom,
dann vergeblich seine Netze
wirft der Fischer aus in Rom,
länger nicht mit seinen Horden
schreckt uns der Koloß im Norden.


7. Macht und Freiheit, Recht und Sitte,
klarer Geist und scharfer Hieb
zügeln dann aus starker Mitte
jede Selbstsucht wilden Trieb,
und es mag am deutschen Wesen
einmal noch die Welt genesen!

Deutschland war im Jahre 1806 in die von Paulus prophezeite Periode der Wegnahme des katechon eingetreten,[16] jene Periode, die Charles Maurras zu Recht als den „Tunnel von 1789“ bezeichnet hat, die dunkelste Periode der Weltgeschichte, in der, um mit dem britischen Außenminister Edward Grey zu sprechen „bald alle Lichter ausgegangen sein werden“ und in der Glaube, Hoffnung und der Menschen auf einen vorher völlig unvorstellbaren Tiefpunkt sinken werden.

Heute ist bereits Licht am Ende des Tunnels zu erblicken, doch kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir uns andererseits noch tief innerhalb dieses Tunnels befinden. Zu übertriebenem Optimismus kann heute, 200 Jahre nach Wegnahme des Imperiums kein Anlaß sein. Das bereits seit dem 12. Jahrhundert und seither immer wieder formulierte Ziel der vollständigen Vernichtung Deutschlands und alles Deutschen ist auch nach dem Ende zweier Weltkriege, die mit dem Ziel dieser Vernichtung konzipiert und geführt wurden, keinesfalls ad acta gelegt worden. Leider gibt sich auch die Masse der Gutwilligen heute noch der Illusion hin, man könne als Christ oder als Deutscher mit dem System von Demokratie und Menschenrechten Kompromisse eingehen oder sich in ihm einrichten.

Dieses System wurde in der Hölle erzeugt und deshalb muß den Worten des sächsischen Philosophen Arnold Gehlen, der in Wien lehrte, beigepflichtet werden:

„Teuflisch ist, wer das Reich der Lüge aufrichtet und andere Menschen zwingt, in ihm zu leben. Das geht über die Demütigung der geistigen Abtrennung noch hinaus, dann wird das Reich der verkehrten Welt aufgerichtet, und der Antichrist trägt die Maske des Erlösers, wie auf Signorellis Fresco in Orvieto. Der Teufel ist nicht der Töter, er ist Diabolos, der Verleumder, ist der Gott, in dem die Lüge nicht Feigheit ist, wie im Menschen, sondern Herrschaft. Er verschüttet den letzten Ausweg der Verzweiflung, die Erkenntnis, er stiftet das Reich der Verrücktheit, denn es ist Wahnsinn, sich in der Lüge einzurichten.“

Der Irrglaube, sich in der Demokratie einrichten zu können, gleicht also dem Wahnsinn, sich in der Lüge einzurichten. Hier war der Lübecker Protestant Geibel klüger als heutige Prälaten, denn er wußte, daß nur am christlichen Kaisertum die Welt genesen kann.

Und auch der in Berlin residierende polnische Graf Raczynski war klüger. Als man ihm den königlichen Wunsch vermittelte, daß auf seinem Grundstück am Rande des Berliner Tiergartens ein „deutscher Reichstag“ erbaut werden soll, antwortete er mit wahrem Mut vor Fürstenthronen: „Der moderne Parlamentarismus ist mir so widerwärtig, daß ich niemals meine Hand zu diesem Plan leihen werde.“ Die Demokraten hätten ihn enteignet, - der preußische König wartete seinen Tod ab um willfährige Erben vorzufinden. Und so steht der Berliner Reichstag, der auch heute noch ein scheußliches „deutsches“ Parlament beherbergt, nach wie vor auf dem Grundstück des einstigen schönen klassizistischen Palais Raczińsky.

Ausweg und Ende

Das Weltdemokratiesystem, wie es heute unter dem Schirm von UNO und USA heute seiner weltweiten Vollendung entgegen geht, kann keine Lösung für Deutschland und Europa bieten, es sei denn man halte ein vollständig entchristlichtes und entgermanisiertes Europa für eine anstrebenswerte Lösung. Diejenigen, die für eine Demokratie á la ÖVP und CDU/CSU plädieren, oder sich unglaublicher Weise für derartige Parteien sogar in sogenannte Parlamente entsenden lassen, werden eines Tages auf die Frage eine Antwort geben müssen, warum sie ein gottwidriges System zur Ausmerzung des christlichen Glaubens gestützt haben.

Der Ausweg aus der gegenwärtigen Lage kann nur ein neues Heiliges Reich sein, ein Reich deutscher Frömmigkeit und Gottbezogenheit, dem Gott eine neue Sendung für das Abendland, für Europa und für die ganze Welt geben wird.


Verweise


Einzelnachweise

  1. Im Abendrot, Der Einsame
  2. Das Abendrot, Der Abend, Von Ida, Schwanengesang (das Lied, nicht der Zyklus!), Huldigung, Das Finden, Erinnerung, Die Täuschung, An Rosa I/II, Die Mondnacht, An die untergehende Sonne, Nachtgesang, Idens Nachtgesang, Alles um Liebe, Das Sehnen, Geist der Liebe, Idens Schwanenlied, Die Sterne, Abends unter der Linde, Abends unter der Linde, Luisens Antwort.
  3. die allerdings niemals auf Reichstagen erschienen ist.
  4. Seine Gattin war die Habsburgerin Maria Josefa, 14fache Mutter von Kindern, die sie selbst erzog.
  5. Dies betrifft letztlich auch die Pseudo-Republik Öster-Reich.
  6. Auf Kaiser Otto den Großen könnte mit vollem Recht Bachs Arie gemünzt sein: Durch die von Eifer entflammeten Waffen / Feinde bestrafen, / bringt zwar manchem Ehre und Ruhm. / Aber die Bosheit mit Wohltat vergelten, / ist nur der Helden, / ist Augustens Eigentum.
  7. Die Reformation zog einen Schlußstrich unter die Interpretation des katechon, da sie diesen als bereits „weggenommen“ interpretierte und im Papsttum die auf diese Wegnahme folgende Stufe der Heilsgeschichte, die Erscheinung des Antichrist als gegeben ansah. Es gab zwar Lutheraner wie Reinking, die auch nach Luther (Das Papsttum zu Rom, vom Teufel gestiftet) das Römische Reich weiterhin als katechon betrachteten, doch in der Geschichtstheologie tauchte selbiger erst bei Carl Schmitt im 20. Jh. wieder auf. Schmitts Lehre vom katechon muß als hybrid bezeichnet werden, da er historische Erscheinungen immer dann als katechon oder katechont bezeichnete, wenn diese sich in den von ihm subjektiv beurteilten Geschichtsprozeß eingliedern ließen, unbeschadet ihrer heilsgeschichtlichen Qualität. Schmitts katechon-Lehre ist kongenial dargestellt von Felix Grossheutschi in „Carl Schmitt und die Lehre vom Katechon“ (Duncker & Humblot Berlin, 1996). Hier auch eine sehr gute Übersicht über die Positionen der Kirchenväter zum Gegenstand.
  8. Täglich zu singen (Ich danke Gott und freue mich); Das Lied vom Reifen; Der Tod und das Mädchen; An eine Quelle; Am Grabe Anselmos; Zufriedenheit (Lied); Phidilie; Abendlied (Der Mond ist aufgegangen); An die Nachtigall; Klage um Aly Bey (zweimal vertont); Bei dem Grabe meines Vaters; Zufriedenheit; Am ersten Maimorgen
  9. Unter einer societas leónina versteht man eine juristische Gesellschaft, in der ein Partner den Gewinn einstreicht, die anderen hingegen „zuschießen“.
  10. Darauf warten wir allerdings noch heute …
  11. Wie recht sie mit dieser Argumentation hatten, zeigte das Jahr 1866!
  12. Die Anzahl der Reichsstände, d.h. derjenigen Stände, die auf Reichstagen erscheinen durften, betrug seit dem Ende des 30jährigen Krieges etwa 400. Höhere Zahlen beruhen auf Fantasie. Es wäre allerdings völlig irrig gewesen, sich von der Verminderung der Reichsstände einen Vorteil zu versprechen, das Gegenteil ist der Fall. Die Tendenz der größeren Stände, die kleineren zu „schlucken“ und die rationalistische Neigung zum ordinären Flächenstaat brachte keinerlei Fortschritt für Deutschland.
  13. Die Hohenzollern hatten allerdings auch „auswärtige Bindungen“, denn Preußen und Posen gehörte weder zum alten Imperium noch dann zum Deutschen Bunde. Dies sollte sich noch verhängnisvoll auswirken.
  14. Der Friede von Preßburg wurde am 26. Dezember 1805 geschlossen.
  15. Geibel ist auch Dichter der bekannten Lieder „Der Mai ist gekommen“ und „Wer recht in Freuden wandern will“.
  16. Rom 1, 18: Denn Gottes Zorn vom Himmel wird offenbart über alles gottlose Wesen und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. 2 Thes 2, 7-10: Denn es regt sich bereits das Geheimnis der Bosheit, nur daß, der es jetzt aufhält, muß hinweggetan werden; und alsdann wird der Boshafte offenbart werden, welchen der HERR umbringen wird mit dem Geist seines Mundes und durch die Erscheinung seiner Zukunft ihm ein Ende machen, ihm, dessen Zukunft geschieht nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden, dafür daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen.