Die Staatslehre des hl. Thomas
- Nach seinem Werk „Über die Herrschaft der Fürsten“.
- Eine Rezension von Martin Möller von ca. 2010
Es wird gezeigt, daß für Tomas von Aquin die Monarchie die perfekte Staatsform ist. Die Demokratie ist für den Aquinaten hingegen eine abzulehnende Verfallsform.
Obwohl das Buch „Über die Herrschaft der Fürsten“ einem Fürsten, dem Kreuzfahrer-König Hugo II. von Sizilien und Jerusalem gewidmet ist, spricht der hl. Tomas mit größten Freimut auch über andere mögliche Staatsformen und über die Entartungen der staatlichen Gewalt. In der westlichen Welt könnte sich derartiges analog heute kein einziger Historiker mehr leisten ohne Karriere, Ruf, Leben und Freiheit zu riskieren.
Der hl. Tomas geht von der Natur des Menschen aus und deduziert von hier aus die Notwendigkeit des Staates und der Herrschaft. Er kommt zu dem Schluß:
- „Wenn also eine Gesellschaft von Freien von ihrem Führer auf das Gemeinwohl der Gesellschaft hingelenkt wird, so wird diese Regierung recht und gerecht sein, wie es Freien angemessen ist.“
Dies dürfen wir als klassische Definition des idealen Staates ansehen, wobei stets präsent zu halten ist, daß das „Gemeinwohl“ nur im Lichte der kirchlichen Lehre zu definieren ist. Dies betonte Tomas nicht nur in diesem, sondern auch in vielen anderen Werken. Dies gilt auch noch heute!
Als Staatsformen nennt Tomas analog zu Aristoteles bzw. Platon Monarchie, Aristokratie und Politie, als deren Verfallsformen bezeichnet er Tyrannis, Oligarchie und Demokratie. Die Demokratie wird also bei Tomas, so wie in der antiken und in der gesamten christlichen Staatslehre als Negativum betrachtet. Allerdings scheint Tomas sie unter den Verfallsformen am höchsten einzuordnen, denn er meint, daß die Tyrannis des Einzelnen die schlimmste Entartung des Staates darstellt, so wie die gottwohlgefällige Monarchie die höchste Form des Staates ist.
„Von den Formen einer ungerechten Regierung ist die Demokratie also immerhin erträglicher, die allerschlimmste aber ist die Tyrannis.“
Tomas stellt sich die Frage, ob ein Staat von einem oder von einem Kollektiv gelenkt werden sollte. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die Herrschaft eines Einzelnen das Beste sei. Neben vielen weitern Argumenten führt er an:
- „Es ist immer das Beste, was der Natur entspricht; in den Einzelnen wirkt die Natur immer das Beste.“
Als Erfahrungswert nennt er, daß „die Provinzen …, die nicht von einem regiert werden, an inneren Zwistigkeiten leiden.“ Und mit feiner Ironie zitiert er: „Viele Hirten haben meinen Weinberg verderbt.“ (Jer 12, 10) Tomas kommt zum tausendfältig geschichtlich bestätigten Schluß:
- „Landschaften und Städte, die von einem Fürsten geleitet werden, erfreuen sich des Friedens, sie blühen auf, da die Gerechtigkeit herrscht und blühen auf in glücklichstem Überfluß. So verspricht es auch der Herr seinem Volk durch die Propheten wie ein großes Geschenk, daß er ihnen ein Haupt setzen und daß ein Herrscher in ihrer Mitte sein werde.“
Auch die Gefahr des Umschlagens in Gewaltherrschaft veranschlagt Tomas bei einer Herrschaftsform der Vielen als erheblich größer als bei der Monarchie. In seinen Ausführungen nimmt er in prophetischer Weise die Etablierung der NS- und Bolschwewismus-Diktatur aus einer Mehrzahlherrschaft vorweg:
- „Es ereignet sich keineswegs selten, daß eine von mehreren ausgeübte Herrschaft sich in eine Tyrannis verkehrt … Fast jede von mehreren geübte Herrschaft ist schließlich zu einer Tyrannei geworden. … Es bleibt das Ergebnis, daß es schlechthin zweckmäßiger ist, unter einem König als unter der Herrschaft von vielen zu leben.“
Aus düsterer geschichtlicher Erfahrung stellt der Aquinate nun die die Frage, wie sich die Menge gegen die Tyrannis des Einzelnen sichern kann. Er nennt drei Maßregeln: Zum ersten weist er auf die große Verantwortung bei der Bestimmung des Herrschers hin. Hier tragen diejenigen Aristokraten hohe Verantwortung, die den König einsetzen, für Deutschland wäre also die Kurversammlung angesprochen. Sodann empfiehlt Tomas verfassungsmäßige Sicherungen vor Machtmißbrauch. Von der Möglichkeit des impeachments haben die deutschen Kurfürsten bekanntlich bei König Wenzel im Jahre 1400 Gebrauch gemacht. Zum dritten rät Tomas dazu, sich rechtzeitig zu überlegen, wie man ggf. einen tyrannischen Herrscher wieder los wird. Hier rät Tomas allerdings zu Vorsicht und Besonnenheit:
- „Wenn die Gewaltherrschaft nicht zu einem besonderen Übermaß ausartet, ist es wohl besser, eine Tyrannis, die sich in gewissen Grenzen hält, eine Zeitlang zu ertragen, als sich durch Unternehmungen gegen den Tyrannen in Gefahren zu verwickeln, die noch weit schwerer sind, als die Tyrannis selbst.“
Diesen Gedanken führt Tomas weiter aus. Er weist dabei darauf hin, daß diejenigen, denen es gelingt, einen Tyrannen zu beseitigen, noch viel übler sein können als dieser. Ja, er glaubt ein geschichtliches Gesetz zu erkennen, nach dem auf einander folgende Tyranneien stets an Schlechtigkeit zunehmen. Den Tyrannenmord hält Tomas eher aus praktischen Gründen für nicht ratsam, besser sei ein verfassungsmäßiges Vorgehen. Letztlich stellt Tomas auf ein verfassungskonformes „Amtsenthebungs-Verfahren“ auch in der Monarchie ab. Tomas spricht vom „Recht der Oberen“ einen König einzusetzen. Daraus gehe hervor, daß die Oberen auch das Recht haben, den König bei schwerster Pflichtverletzung abzusetzen. Er nennt ein interessantes Beispiel:
- „So ist auch Domitian, der nach den maßvollsten Kaisern, seinem Vater Vespasian und seinem Bruder Titus, die Herrschaft angetreten hatte, von römischen Senat ermordet und alles, was er in verkehrter Weise den Römern auferlegt hatte, durch Senatsbeschluß für nichtig erklärt worden. Dadurch ist es geschehen, daß der selige Evangelist Johannes, der Lieblingsjünger Gottes, der durch Domitian selbst auf die Insel Patmos verbannt worden war, durch Senatsbeschluß [zurück] nach Efesus gesandt wurde.“
Als Summe der Überlegungen rät Tomas, man solle sich einer Tyrannei ausgesetzt „an Gott wenden, der da in Trübsal zu richtiger Stunde als Helfer erscheint.“
Des weiteren weist Tomas auf den wichtigsten Aspekt der Monarchie hin, nämlich den, daß der König „in Ausübung seines Herrscheramtes ein Diener Gottes ist“. Ein König darf also den Lohn für sein schweres Wirken (ausschließlich) von Gott erwarten. Diesen Gedanken führt Tomas ausführlich mit vielen Bibelstellen und historischen Belegen aus. Tomas zitiert den berühmten Augustinischen Fürstenspiegel:
- „Denn wir preisen manche christlichen Kaiser nicht darum glücklich, weil sie länger regierten oder eines sanften Todes starben und ihren Söhnen die Herrschaft hinterließen, oder weil sie die Feinde des Staates niedergeworfen und bösartige Bürgeraufstände entweder verhütet oder unterdrückt haben. Solche und andere Gnadengaben und Tröstungen dieses sorgenvollen Lebens konnten auch Dämonenverehrer empfangen, die am Himmelreich keinen Anteil haben wie sie; und zwar ist es Gottes Barmherzigkeit, die das so fügt, damit die an ihn Glaubenden dergleichen Erdengüter nicht als Höchstes von ihm begehren.“
Und erfährt fort: „In diesem Sinne kann es also als Wahrheit anerkannt werden, daß Ehre und Ruhm [bei Gott] der Lohn der Könige sind. … Das ist jene Ehre, von der König David … sagte: „Deine Freunde o Gott, sind ohne Maßen geehrt!“ Diejenigen, die diesen Ruhm suchen, finden ihn auch. Dabei erlangen sie überdies den Ruhm unter den Menschen, den sie nicht suchen. Dafür ist Salomon ein Beispiel, der nicht allein die Weisheit, die er suchte, von Gott erhielt, sondern auch an irdischem Ruhm über alle anderen Könige erhoben wurde.“ Weiter unten führt Tomas aus, daß die Monarchie auch deshalb optimal zu nennen ist, weil sie der Herrschaft Gottes über Himmel und Erde am ähnlichsten ist. Auch verweist er auf hierarchische, monarchische Strukturen in Natur und Tierreich.
„Dessen muß sich also ein König bewußt werden: daß er daß er das Amt auf sich genommen hat, seinem Königreich das zu sein, was die Seele für den Leib und Gott für die Welt bedeutet. .. Und er wird Milde und Güte walten lassen, wenn er diejenigen, die unter seiner Herrschaft stehen, wie Glieder seines eigenen Körpers betrachtet.“
Die Maßstäbe des Regierens leitet Tomas für den Monarchen, wie aber analog für jeden Regenten, von den Maßstäben der göttlichen Ordnung ab. Tomas weist auf einen äußerst wichtigen Maßstab jeder staatlichen und Regierungstätigkeit hin: „Man kann das Amt des Regierens nicht voll erkennen, wenn man das Grundgesetz der Errichtung des jeweiligen Staatswesens nicht kennt.“ Diesen Gedanken führt Tomas sehr sorgfältig aus und resümiert: „Alles konnte aus der Ähnlichkeit [der Staatsgründung bzw. der Regierungstätigkeit] mit der Erschaffung der Welt abgeleitet werden.“ Im 14. Kapitel weist Tomas darauf hin, daß keine Regierungstätigkeit möglich ist, wenn nicht deutlich bewußt ist, daß auch das Wirken des Staatsmannes auf das letzte Ziel, nämlich Gott gerichtet sein muß.
„Nun muß aber das Urteil über das letzte Ziel der ganzen Gesellschaft daßelbe wie über das Endziel des einzelnen sein. Wenn also das Endziel des Menschen ein Gut wäre, das in ihm selbst liegt, so wäre es gleicherweise das Endziel für die Regierung der Gesellschaft, dieses Gut zu erlangen und zu bewahren. Wäre so bei dem einzelnen oder der Gesellschaft das körperliche Dasein und die Gesundheit des Leibes der letzte Zweck, so fiele das Amt dem Arzt zu. Wäre es aber Überfluß an anderen Gütern, so wäre ein Kenner der Wirtschaft der Führer der Gesellschaft. Wäre schließlich das Gut eine Erkenntnis der Wahrheit von solcher Art, daß es die vielen zu erlangen vermöchten, wäre das Amt des Königs das eines Gelehrten. Nun ist es aber nach allem Anschein das Endziel der zu gemeinsamem Leben vereinigten Gesellschaft, nach der Tugend zu leben. Denn dazu begründen die Menschen eine Gemeinschaft, daß sie nun vereint gut leben, was jeder im Leben als einzelner nicht erreichen kann. Gut leben aber heißt leben, wie es die Tugend verlangt.“
Tomas erwägt im weiteren die heidnische Lehre, daß der Fürst nur noch der materiellen Wohlfahrt seines Staatswesens zu streben habe und jenseitige Aspekte außer Acht zu lassen hat. Er verwirft diese Lehre und fährt dann fort mit der Feststellung, daß das christliche Königtum ein priesterliches Amt sei, das sich dem Bischof von Rom zu unterwerfen habe.
Für ein gutes Leben im Staate nennt der Aquinate drei Erfordernisse:
- Einheit der Gesellschaft in Frieden und Glauben [man vergleiche die Lehren des „2. Vatikanums“ und des jetzigen Pseudo-Papstes.]
- Eine weise Staatsführung im Sinne der Kirche
- Vorsorge des Herrschers für die irdischen Gegebenheiten
Als Aufgaben des Königs nennt Tomas die Sorge für guten und fähigen Nachwuchs, das Lob der Tugend und die Bestrafung der Bosheit, die Sicherung des Volkes und des Staates vor äußeren Feinden. Ferner müsse der König „das Unzweckmäßige richtigstellen, das Fehlende ergänzen, und dort, wo Verbesserung möglich ist, nach Vervollkommnung streben“.