Franz von Papen und Bischof Hudal

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Papen zu Hudal

Immer habe ich in meinen Berichten Bezug genommen auf die Gefahren der Politik, die in der drohenden Stellung des Nationalsozialismus gegenüber der Kirche lagen. Das Problem war von besonderer Wichtigkeit für Österreich, weil der Vatikan fürchtete, die österreichischen Katholiken möchten derselben Verfolgung ausgesetzt werden wie die im Reich, obwohl er nicht verkannte, daß auf der anderen Seite ein Anschluß die christliche Front Deutschlands stärken werde.

Seit Übernahme des Wiener Postens hatte ich auf verschiedenen Wegen daran gearbeitet, in dieser Frage Klarheit zu schaffen. Meine Sorgen hatte ich auch mehrfach einem katholischen Kirchenfürsten von hohem Rang und besonderem Interesse für diese Zusammenhänge offenbart. Bischof Dr. Alois Hudal, in Österreichisch-Böhmen geboren, stand seit Jahren an der Spitze der von Karl V. ins Leben gerufenen „Anima“ in Rom. Die religiöse Entwicklung im Dritten Reich und die deutsch-österreichische Frage fanden sein brennendes Interesse. 1936 unternahm er den kühnen und von großem Verantwortungsgefühl getragenen Versuch, zu der so notwendigen geistigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus einen Beitrag zu leisten. Er schrieb ein Buch „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ und widmete das erste Exemplar Hitler.

Ich hatte ihn zu diesem Versuch ermuntert und in häufigen Besprechungen Hitler über diese demnächst erscheinende Auseinandersetzung auf hoher geistiger Warte unterrichtet. Daß ein so hoher Prälat, ein Volksdeutscher der alten Donaumonardnie, Sich - wie es im Vorwort des Buches hieß - „brennenden Herzens‘ mit der Deutschen Frage bcfaßte, das mußte wohl auf Hitler einen starken Eindruck machen. Meine Ausführungen fanden immer sein reges Interesse. Während Monsignore Hudal das Bestreben des Nationalsozialismus anerkannte, mit allen Kräflen zu einer neuen sozialen Ordnung und einem Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit zu gelangen und gleichzeitig einen unerbittlichen Kampf gegen die nihilistischen Tendenzen des Bolschewismus zu führen, stellte er doch andererseits fest, daß dieser Weg nur gangbar sei auf dem Boden der diristlidien Grundsätze. Daher, so forderte er, sei aus dem nationalsozialistischen Programm alles auszumerzen, was in Theorie und Praxis dem unveräußerlichen Naturrccht, wie es in der christlichen Lehre festgelegt ist, widerspreche.

Als ich Hitler das erste ihm gewidmete Exemplar persönlich überreichte, nahm er es mit Dank entgegen und versprach, es mit Interesse zu lesen. Da zu jener Zeit die Einfuhr von Büchern bereits von einer hohen Parteistelle kontrolliert wurde und Hudals Buch — in Österreich gedruckt —- einer Einfuhrerlaubnis bedurfte, bat ich Hitler, diese Parteistelle anzuweisen, die Einfuhr zu gestatten, damit eine geistige Auseinandersetzung mit weiten Kreisen der Partei möglich sei. Er versprach alles. Aber sogleich setzte die Gegenarbeit der Bewegung ein. Vor allem war es Goebbels, der die Gefahr einer Auseinandersetzung begriff und seine ganze diabolische Dialektik auf Hitler wirken ließ.

Er und auch Bormann bedrängten diesen, das Buch unter keinen Umständen zuzulassen, da es von gefährlichem Einfluß auf die Partei werden könne. Hitler schwankte. Unsere Unterhaltung dauerte stundenlang. Immer wenn ich ihn überzeugt zu haben schien, öffnete sich die Türe, und Bormann schaltete sich ein. Am Ende gelang es mir nur, die Einfuhr von zweitausend Exemplaren zu erreichen mit dem Einverständnis, daß diese an die führenden Parteikreise verteilt werden sollten. Der Versuch einer ernsten Diskussion war damit sabotiert.

Monsignore Hudal war bestürzt und tief enttäuscht. Man hat in gewissen Kreisen ihn später herb kritisiert, daß er diesen aus heißem priesterlichen und vaterländischen Herzen unternommenen Verständigungsversuch gewagt habe. Ich bewahre ihm eine tiefe Dankbarkeit für die Hilfe, die er mir im Kampfe um die christlichen Prinzipien geleistet hat. Sind auch die Hoffnungen unerfüllt geblieben, so ist es ein Gebot historischer Klarstellung, allen jenen Genugtuung zu verschaffen, deren Wille rein und deren Absichten unangreifbar waren. Papst Pius XI. selbst hat in seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ 1937 zum Ausdruck gebracht, daß man die Hofinung auf eine Besserung nie aufgeben dürfe. Für mich war das Scheitern des Hudal'schen Versuchs eine um so härtere Enttäuschung, als ich wußte, daß die wachsende Opposition des österreichischen Klerus gegen jede Annäherung an Deutschland sich damit nur verstärken werde.

Immer wieder schien es notwendig, Hitler zu überzeugen, wie sehr die österreichische Frage im Mittelpunkt der europäischen Entwicklung stehe, wie notwendig daher eine behutsame Lösung sei und wie untrennbar die Erfüllung der Aufgabe des Reichs im mitteleuropäisclmen Raum von einer guten Lösung dieses Problems abhänge.


Verweise