Gallikanismus

Aus Monarchieliga
Version vom 11. Dezember 2018, 10:21 Uhr von Mm54 (Diskussion | Beiträge)

(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche


Der Gallikanismus ist die französische Form des Episkopalismus.


Gegenstand

Beim Gallikanismus handelte es sich um ein kirchenrechtliches System, mit dem die katholische Kirche in Frankreich weitgehende Unabhängigkeit vom römischen Stuhl herzustellen suchte. Dazu wurden gewisse Vorrechte, die sg. „gallikanischen Freiheiten“, postuliert. Im Wesentlichen ging es darum, die weltliche Macht des Papstes in innenpolitischen Fragen widerrechtlich zu verringern und seine Position dem französischen Episkopat unterzuordnen.

Geschichte

Das Streben nach Unabhängigkeit vom hl. Stuhl zeigte sich bereits im 14. Jahrhundert, als Philipp der Schöne in Konflikt mit Papst Bonifaz VIII. über die Frage der Überordnung und Weisungsvollmacht des Papsttums gegenüber der weltlichen Herrschaft und die Abgrenzung der Befugnisse zwischen Kirche und Landesherren geriet.

Abendländisches Schisma

Im Ergebnis führte diese kirchenpolitische Auseinandersetzung 1309 zur Verlegung des Amtssitzes der Päpste nach Avignon und zur langjährigen Unterwerfung des Papsttums unter französische Interessen. Seit Papst Klemens V. wurden nur noch Franzosen zu Päpsten gewählt, die ihrerseits praktisch ausschließlich französische Kardinäle ernannten, was diese Entwicklung zu perpetuieren schien. Daraus entstand eine europaweite Kirchenkrise, die zum Abendländischen Schisma führte, als zwei und zeitweise sogar drei angebliche Päpste nebeneinander regierten.

Konziliarismus

Als Antwort auf das Schisma kam es in ganz Europa zu einem gewissen Konziliarismus, der seinen Höhepunkt beim Konzil von Konstanz fand. Eine wichtige Rolle spielten französische Theologen, die sich als Konziliaristen aufspielten. Zum wenngliech häretischen französichen Kirchengesetz wurde der Gallikanismus 1438 durch die „Pragmatische Sanktion von Bourges“. Es handelte sich um eine Vereinbarung zwischen König und Klerus, in der die Rechte des Königs (Gerichtsbarkeit, Stellenbesetzung) festgeschrieben wurden.

Im Konkordat von Bologna erreichte König Franz I. 1516 ein Übereinkommen mit Papst Leo X., mit dem die französische Krone als Gegenleistung für die formale Anerkennung der Superiorität des Papstes über die Konzilien fast unbegrenzte Kontrolle über die Kirche in Frankreich und deren Besitz erhielt. Seitdem blieb die französische Kirche organisatorisch dem König unterstellt und wurde in der Folgezeit in die Verwaltung des französischen Staates eingebunden.

Gallikanische Artikel

Ihren Höhepunkt erreichte die gallikanische Bewegung mit dem Nationalkonzil von 1682, das König Ludwig XIV. nach Paris einberief. Hier wurden in vier Artikeln, die unter der Federführung des Bischofs Jacques Benigne Bossuet verfaßt wurden, die „gallikanischen Freiheiten“ verkündet, die bis zur [[Französische Revolution|Französischen Revolution in Kraft blieben. Die vier Artikel hatten zusammengefaßt folgenden Inhalt:

  1. Nur in geistlichen, nicht aber in weltlichen Dingen ist den Päpsten und der Kirche Gewalt von Gott verliehen; die Fürsten sind in zeitlichen Dingen von der kirchlichen Gewalt unabhängig, auch könen sie weder direkt noch indirekt abgesetzt werden. Die Untertanen können durch die Kirche nicht von ihren Pflichten entbunden werden.
  2. Die Gewalt des Papstes in geistlichen Dingen ist durch die Autorität der Allgemeinen Konzilien beschränkt.
  3. Die Ausübung der päpstlichen Gewalt ist durch die von den Konzilien festgelegten Kanones beschränkt. Außerdem bleiben die Gesetze und Gewohnheitsrechte des französischen Königs und der französischen Kirche, wie sie bisher ausgeübt wurden, weiter in Geltung.
  4. Entscheidungen des Papstes in Glaubensfragen bedürfen der Zustimmung der Gesamtkirche.

Differenzierung

Innerhalb des Gallikanismus kann man zwei unterschiedliche Tendenzen beobachten. Die eine, eher episkopalistische und konziliaristische Richtung, äußerte sich in der von Rom relativ unabhängigen Theologie, die an der Sorbonne gelehrt wurde. Diese theologische Strömung mündete später in den Jansenismus.

Die andere Richtung kann als staatstragend-absolutistisch bezeichnet werden. Einer ihrer wichtigsten Vertreter war Bossuet, doch auch von Bossuet führt über dessen Freundschaft mit Antoine Arnauld ebenfalls eine Linie zum Jansenismus. Die Überbetonung der Staatsgewalt in dieser Strömung des Gallikanismus war zeitbedingt und verschwand mit dem Ende des Absolutismus völlig.

Konstitutionelle Kirche

Im Geist des Gallikanismus wurde während der [[Französische Revolution|Französischen Revolution mit der Constitution civile du clergé der Nationalversammlung vom 12. Juli 1790 die katholische Kirche Frankreichs reorganisiert. Alle Einrichtungen, die nicht der Seelsorge dienten, wurden aufgelöst, die Diözesen (83 statt zuvor 130) auf der Basis der neuen Départements territorial neu umschrieben, Bischöfe und Pfarrer von den Gläubigen „gewählt“, zum Eid auf die Konstitution verpflichtet und vom Staat besoldet.

Die sogenannten konstitutionellen Bischöfe hielten 1797 und 1801 h'retische französische Nationalkonzilien ab. Mit dem Konkordat von 1801 zwischen Napoleon I. Bonaparte und Papst Pius VII. wurden sowohl die konstitutionellen Bischöfe als auch die emigrierten Bischöfe des Ancien regime zum Amtsverzicht gedrängt.

Nachwirkungen

In den folgenden Jahren gelang der römischen Kurie zwar teilweise eine formelle Aufhebung der „Pragmatischen Sanktion“, tatsächlich blieben die staatlichen Privilegien aber bestehen. Erst nach der Französischen Revolution und der Abschaffung des Absolutismus hörte auch die Funktion der gallikanischen Kirche auf.

Verweise