Lüttwitz-Kapp-Putsch
- Kapp-Putsch, Kapp-Lüttwitz-Putsch
Der Lüttwitz-Kapp-Putsch vom 13. März 1920 war ein rechter Putsch gegen die Weimarer Republik.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Der Lüttwitz-Kapp-Putsch richtete sich gegen die republikanische Koalitions-Regierung Gustav Bauer. Der Kommandierende General des Reichswehr-Gruppenkommandos 1 in Berlin, Walter von Lüttwitz, stellte sich an die Spitze der militärischen Opposition gegen die Regierung. Die politische Führung sollte der preußische Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp übernehmen, der im Kriege Gründungsmitglied der Deutschen Vaterlandspartei gewesen war.
Grund für den Putsch war das eklatante Versagen der Reichsregierung vor der Herausforderung duchr die Feindstaaten.
Nach anfänglichen Erfolgen brach der Umsturzversuch in dem von der Reichsregierung und den Gewerkschaften initiierten Generalstreik zusammen. In Bayern führte der Kapp-Lüttwitz-Putsch zum Rücktritt der Regierung von Johannes Hoffmann. An seine Stelle trat eine rechte Regierung unter Gustav von Kahr, die den Einwohnerwehren nahestand und die deren Auflösung bis 1921 verhinderte.
Vorbereitungen
Die Sammlung der gegenrevolutionären Kräfte seit den Bürgerkriegskämpfen im Januar und März 1919 erhielt wesentlichen Auftrieb durch die Krise um die Annahme des Diktats von Versailles im Sommer 1919. Die Pläne, sich dagegen auf einen zeitweiligen „Oststaat“ als nationale Widerstandszelle zurückzuziehen, scheiterten ebenso wie das an Reichswehrminister Gustav Noske herangetragene Angebot zur Übernahme einer militärisch abgestützten Diktatur.
Deshalb begann der ehemalige Generallandschaftsdirektor von Ostpreußen Wolfgang Kapp mit Unterstützung des aus Schweden zurückgekehrten Generals Erich Ludendorff von Berlin aus die Teile einer aktionsbereiten Rechten gegen die Republik zu sammeln. Aus den Kadern der aufgelösten Deutschen Vaterlandspartei wurde dazu im Oktober 1919 unter Kapps Führung die „Nationale Vereinigung“ gegründet.
Die darin versammelten rechten Politiker und Verbandsführer, politisierenden Offiziere und Rechtspublizisten verstanden sich als Koordinationszentrale über den Parteien. Ihr Ziel war es, die Rechten zu sammeln. Einen ersten öffentlichen Erfolg konnten sie mit dem Auftritt Paul von Hindenburgs und Ludendorffs am 18. November 1919 vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Reichstags zur Klärung der Vorgänge um das Kriegsende erzielen. In einer gemeinsamen Erklärung warfen die Generale den Trägern der Republik vor, mit ihrer Politik dem Feldheer einen „Dolchstoß in den Rücken“ versetzt und damit die deutsche Niederlage verursacht zu haben.
Eine erste gefährliche Situation für die Reichsregierung trat mit der Rückkehr der baltischen Freikorps an der Jahreswende 1919/20 ein, verfügten die Verschwörer damit doch über erste militärische Verbündete. Mit den als Arbeitsgemeinschaften getarnten, nicht zur Auflösung bereiten „Baltikumern“ konnte die für ihre Unterbringung auf dem Lande sorgende Nationale Vereinigung aber auch ihre Basis über den ganzen ostelbischen Raum verbreitern. Über das Führerkorps der aus Bayern stammenden „Eisernen Schar“ des Hauptmanns Rudolf Berthold ließen sich zudem Kontakte ins Lager der bayerischen Rechten aufbauen.
Mit dem Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 war der letzte Anstoß zur Forcierung konkreter Umsturzvorbereitungen gekommen, denn damit stand die Frage nach der Entwaffnung der Freikorps im Raum, um die festgelegte Endstärke deutscher militärischer Kräfte von 100.000 Mann einnehmen zu können. Stützen konnten sich die Verschwörer jetzt auch auf den Kommandeur des Gruppenkommandos 1 der Reichswehr, General der Infanterie Walter von Lüttwitz, der sich dem alliierten Abrüstungsverlangen offen widersetzte. Damit schien die erforderliche Einheitsfront von Reichswehr und Nationaler Vereinigung unmittelbar bevorzustehen, die für einen Staatsstreich in Berlin unverzichtbar war. In den Putschtagen sollte sich jedoch schnell zeigen, daß weder von Lüttwitz die gesamte norddeutsche Reichswehr hinter sich bringen, noch die Nationale Vereinigung ihre losen Verbindungen weit genug in die Rechtsparteien hinein ausbauen konnte. Der Putschverlauf in Berlin und im Reich
Putsch
Den letzten Auslöser für das Losschlagen der Verschwörer gab der von der Entente geforderte und Ende Februar 1920 von der Reichswehrführung verfügte Auflösungsbefehl für die Marinebrigade 2 unter ihrem Kommandeur, Korvettenkapitän Hermann Ehrhardt. Mit deren Auflösung hätten die Verschwörer ihren stärksten militärischen Verband im Berliner Raum verloren. General von Lüttwitz verweigerte den Befehl und setzte nach seiner daraufhin erfolgten Kommandoenthebung die Brigade in der Nacht vom 12. auf den 13. März 1920 gegen die Reichshauptstadt in Marsch. Im Reichswehrministerium konnte sich Minister Noske mit seiner Forderung nach sofortigen militärischen Gegenmaßnahmen jedoch nicht durchsetzen, da die Offiziere um den Chef des Truppenamtes, General Hans von Seeckt, dadurch den Zusammenhalt ihrer Verbände gefährdet sahen.
Da die Reichswehr in Norddeutschland mithin bestenfalls zu einer abwartenden Haltung zu bewegen war, einige ihrer Kommandeure sogar offen mit den Putschisten sympathisierten, entschloß sich die Reichsregierung zur Flucht über Dresden nach Stuttgart. Nach der Besetzung aller Schaltstellen in Berlin durch die Brigade Ehrhardt proklamierte Kapp am 13. März 1920 eine „neue Regierung der Ordnung, der Freiheit und der Tat“ unter seiner Führung. Die Machtverteilung im Kreis der Putschisten lief freilich auf eine kaum verdeckte Militärdiktatur der Generale Lüttwitz und Ludendorff hinaus.
Schon nach wenigen Tagen wurde jedoch das Improvisierte des Staatsstreichs überdeutlich. Die Reichswehr in Berlin verhielt sich auch gegenüber der Putschregierung weiterhin abwartend, während ihre Kommandeure in West- und Süddeutschland loyal zur Demokraten-Regierung standen. Die Ministerialbürokratie des Reiches und Preußens in Berlin verweigerten Kapp offen die Gefolgschaft. Die nach Stuttgart ausgewichene alte Regierung rief im Einklang mit den Gewerkschaften zum Generalstreik auf, woraufhin im Ruhrgebiet sofort wieder Kämpfe aufflammten. Selbst die Parteiführungen der Rechtsparteien wie die Geldgeber aus der Schwerindustrie blieben mehrheitlich ablehnend, da sie die fragile innere Ordnung im Reich nicht erneut aufs Spiel gesetzt sehen wollten. Außerdem würde sich ein innerlich gespaltenes Deutschland schwerlich dem Druck der Ententemächte zu seiner Entwaffnung gewachsen zeigen.
Am Abend des 17. März entschloss sich Kapp in Übereinstimmung mit den militärischen Trägern des Putsches zum Rücktritt. Das gesamte Unterfangen brach damit endgültig zusammen. Im Ruhrgebiet bildete sich allerdings eine „Rote Armee“, die den Generalstreik zur offenen Revolte gegen die Republik ausweitete. Die Reichsregierung sah sich deshalb gezwungen, neben der Reichswehr auch Freikorpsverbände zum Kampf einzusetzen, die gerade eben noch gegen die Republik revoltiert hatten. Die Säuberung innerhalb der Reichswehr von Sympathisanten der Putschisten blieb daher begrenzt.
Bei den Reichstagswahlen im Sommer 1920 kam es sogar zu einem politischen Rechtsruck, der die tragenden Parteien der Weimarer Koalition (SPD, Zentrum, DDP) auf Dauer die Mehrheit kostete. Die führenden Verschwörer verließen fluchtartig Berlin und wurden von der Reichsregierung unter Strafverfolgung gestellt. Kapp selbst flüchtete nach Schweden, kehrte aber im Frühjahr 1922 nach Deutschland zurück, als sich einige seiner Mitverschwörer vor dem Reichsgericht in Leipzig verantworten mußten. Noch bevor er seine vorbereitete große Verteidigungsrede halten konnte, mußte er sich jedoch einer Krebsoperation unterziehen, an deren Folgen er bereits im Sommer 1922 starb.
Literatur
- James Cavallie: Ludendorff und Kapp in Schweden. Aus dem Leben zweier Verlierer. Frankfurt 1995
- Johannes Erger: Der Kapp-Lüttwitz-Putsch. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1919/1920. Düsseldorf 1967
- Gerald D. Feldman: Die Großindustrie und der Kapp-Putsch. In: Ders.: Vom Weltkrieg zur Weltwirtschaftskrise: Studien zur deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1914–1932. Göttingen 1984
- Hans Fenske: Konservativismus und Rechtsradikalismus in Bayern nach 1918. Bad Homburg 1969
- Ekkehart P. Guth: Der Loyalitätskonflikt des deutschen Offizierkorps in der Revolution 1918–1920. Frankfurt am Main 1983
- Heinz Hürten: Der Kapp-Putsch als Wende. Über Rahmenbedingungen der Weimarer Republik seit dem Frühjahr 1920. Opladen 1989
- Erwin Könnemann/Hans-Joachim Krusch: Aktionseinheit contra Kapp-Putsch. Der Kapp-Putsch im März 1920 und der Kampf der deutschen Arbeiterklasse sowie anderer Werktätiger gegen die Errichtung der Militärdiktatur und für demokratische Verhältnisse. Ostberlin 1972
- Erwin Könnemann, Gerhard Schulze (Hrsg.): Der Kapp-Lüttwitz-Ludendorff-Putsch. Dokumente. München 2002
- Peter Kritzer: Die bayerische Sozialdemokratie und die bayerische Politik in den Jahren 1918 bis 1923. München 1969
- Gabriele Krüger: Die Brigade Ehrhardt. Hamburg 1970
- Horst Nusser: Militärischer Druck auf die Landesregierung Johannes Hoffmann vom Mai 1919 bis zum Kapputsch, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 33 (1970), 818-850
- Dietrich Orlow: Preußen und der Kapp-Putsch. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 26, 1978, S. 191–236
- Martin Polzin: Kapp Putsch in Mecklenburg: Junkertum und Landproletariat in der revolutionären Krise nach dem ersten Weltkrieg. Rostock 1966
- Hans J. Reichardt: Kapp-Putsch und Generalstreik März 1920 in Berlin. Berlin 1990
- Hagen Schulze: Freikorps und Republik. 1918–1920. Boppard am Rhein 1969
- Herbert Speckner: Die Ordnungszelle Bayern. Studien zur Politik des bayerischen Bürgertums von der Revolution bis zum Ende des Kabinetts Dr. v. Kahr, Erlangen Phil. diss. 1955
- Bruno Thoß: Der Ludendorff-Kreis 1919-1923. München als Zentrum der mitteleuropäischen Gegenrevolution (Miscellanea Bavarica Monacensia 78/Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München 98), München 1978
- Wolfram Wette: Gustav Noske. Eine politische Biographie. Düsseldorf 1987