Tametsi futura (Wortlaut)

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Inhaltsverzeichnis

Hoffnung des Papstes um die Jahrhundertwende

An die Ehrwürdigen Brüder, die Patrlarchen. Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe, und anderen Ortsordinarien, welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen, Papst Leo XIII.

Ehrwürdige Brüder!
Heilsgruß und Apostolischen Segen!


Wenn Wir auch im Hinblick auf die Zukunft Uns sorgenvoller Gedanken nicht entschlagen können, vielmehr wegen der vielen geheimen und öffentlichen Übelstände zu manchen ernsten Befürchtungen Anlaß haben, so hat uns doch GOTT der Herr am Ausgang des [1]Jahrhunderts einige Hoffnung und einigen Trost bereitet.

Wohl jeder weiß, wie wichtig es für das Gesamtwohl ist, wenn die Einzelnen in der Sorge um ihr Seelenheil sich erneuern und ihren Eifer im Glauben und in der Übung der Gottesfurcht neu beleben: nun zeigt sich aber deutlich in der Gegenwart[2] bei vielen eine Wiederbelebung und Vermehrung dieses Eifers.

Denn trotz der weltlichen Anlockungen und der mannigfachen Hindernisse, welche sich der Ausübung der Religion entgegenstehen. sind doch von allen Seiten auf die Aufforderung des Papstes hin Unzählige nach Rom zu den Grabstätten der Heiligen Apostel hlngeeilt; die Einwohner von Rom wie auch Auswärtige haben öffentlich ihre Frömmigkeit an den Tag gelegt und im Vertrauen auf die ihnen geöffneten Gnadenschätze der KIRCHE mit besonderem Eifer sich der Mittel zur Erlangung des Seelenheils teilhaft zu machen gesucht.

Merklich gesteigert Liebe zum Erlöser des Menschengeschlechts

Mehr als sonst ist auch, wie dies offensichtlich ist, die Liebe zum Erlöser des Menschengeschlechtes entbrannt. Dieser Eifer von so vielen Tausenden, welche einmütig und einstimmig allerorts das Lob Jesu Christi feiern und Seinen Namen preisen, erinnert an die besten Zeiten des Christentums.

Möchte doch dieser Eifer, so wie bei unseren Vorfahren, allgemein werden und das glänzende Beispiel derart Vieler die Gesamtheit ergreifen! Denn nichts ist unserem Zeitalter so notwendig als die allgemeine Erneuerung des christlichen Geistes und die Wiederbelebung der alten Tugenden.

Leider aber sind sehr viele taub und achten nicht auf diese Mahnungen, welche eine solche Erneuerung der Frömmigkeit ihnen vorhält. Und doch würden auch sie erwachen und dem sicheren Verderben zu entrinnen suchen, wenn sie das Geschenk Gottes kennten und bedächten, daß der Abfall von dem Erlöser der Welt und die Abkehr von den christlichen Sitten und Einrichtungen das größte Unglück ist.

Die Aufgabe der Kirche und des Klerus

Nun aber besteht die Aufgabe der Kirche darin, das Reich des Sohnes Gottes auf Erden zu erhalten und zu verbreiten und durch die Ausspendung der Göttlichen Gnaden das Heil der Menschen zu erstreben. Diese Aufgabe ist ihr so wesenseigentümlich, daß gerade hierauf ihre ganze Autorität und Macht beruht.

Darauf haben Wir während Unseres Pontiflkates, das so reich an Sorgen und Mühen war, Unsere ganze Kraft bis auf den heutigen Tag verwendet, und auch Ihr, Ehrwürdige Brüder, habt sicher dieselbe Aufgabe zum Ziele Eures täglichen Sinnens und Trachtens gemacht. Wir müssen aber gemeinsam, den Zeitverhältnissen Rechnung tragend, noch größere Anstrengungen machen, und namentlich in diesem Jubeljahre die Erkenntnis Jesu Christi und die Liebe zu Ihm durch Belehrung, Rat und Ermahnung weiter auszubreiten suchen.

Hierbei haben Wir nicht sowohl jene im Auge, welche stets gerne die christliche Lehre hören, als vielmehr solche Unglücklichen‚ die zwar "Christen" heißen, aber ein Leben ohne Glauben und Liebe zu Jesus Christus führen. Diese erwecken Unser besonderes Mitleid, und gerade sie möchten Wir auf das Verkehrte ihrer Handlungsweise, wie auch auf deren Folgen, falls sie sich nicht bekehren, aufmerksam machen.

Das Unglück eines Lebens ohne Jesus Christus und die verheißene Rettung

Jesus Christus nie und in keiner Weise kennenzulernen: das ist das größte Unglück; damit ist aber an sich weder böser Wille noch Undankbarkeit gegeben. Ihn zu kennen und Ihn dann zu verschmähen und zu vergessen - das ist aber ganz gewiß ein Verbrechen, und zwar so schändlich und unvernünftig, daß man es unter Menschen nicht für möglich halten sollte.

Denn Christus ist der Ursprung und die Quelle aller Güter; Seiner Gnade verdankt das Menschengeschlecht seine Erlösung und Erhaltung. Es ist in keinem andern Heil; denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, wodurch wir selig werden sollen.[3]

Das Beispiel der Heiden, die des Lichtes des christlichen Glaubens entbehren, lehrt es uns deutlich: was das Leben ohne Christus, der die Krat und Weisheit Gottes ist, bedeutet; wohin die Sittlichkeit gerät und wie schließlich das Ende sich gestaltet. Wer nur daran sich erinnert, was der heilige Paulus[4] über die Verblendung des Geistes, die Verwilderung der menschlichen Natur, über Aberglauben und Leidenschaften bei den Heiden näher darlegt‚ der wird fürwahr mit Mitleid und Abscheu erfüllt.

Was Wir hier sagen, das ist allgemein bekannt, es wird aber zu wenig beachtet und bedacht. Der Hochmut würde wohl nicht so viele Menschen in die Irre führen, und die Gleichgültigkeit würde nicht so viele zur Lauigkeit verleiten, wenn das Andenken an die göttlichen Wohltaten in allen wach erhalten bliebe und es öfter bedacht würde, aus welchem Abgrund Christus die Menschheit erlöst und wozu ER sie erhoben hat.

Enterbt und verirrt ging die Menschheit von Jahrhundert zu Jahrhundert immer mehr dem Untergang entgegen. Infolge der Sünde der Stammeitern war die Menschheit bedrückt von schrecklichen Übeln, die durch Menschenkraft nicht beseitigt werden konnten: bis Christus der Herr als Retter vom Himmel herniederstieg und auf Erden erschien. Ihnhatte Gott selbst zu Beginn der Welt als den zukünftigen Besieger und Überwinder der Schlange verheißen. Deshalb harrten auf ihn in lebendiger Erwartung die folgenden Zeiten.

Die Erlösergewalt Jesu Christi

Die Propheten[5] verkündeten IHN klar und deutlich als denjenigen, auf dem alle Hoffnung beruhe, auch die Geschichte des Auserwählten Volkes, dessen Geschicke, Einrichtungen, Gesetze, Zeremonien und Opfer wiesen mit Bestimmtheit auf Ihn hin und deuteten an, daß das volle und wahre Glück der Menschheit nur von Dem ausgehen werde, der Hoherpriester und zugleich Opferlamm sein wird, Wiederbringer der menschlichen Freiheit. Fürst des Friedens, Lehrer aller Völker und Gründer des Ewigen Reiches.

Alle diese verschiedenen Bezeichnungen, Bilder und prophetischen Aussprüche bezeichnen übereinstimmend nur Ihn als Denjenigen, der aus übergroßer Liebe zu uns für unser Heil Sich opfern werde. Als die Zeit gekommen war. wo der Ratschluß Gottes sich erfüllen sollte, da leistete der menschgewordene Sohn Gottes Seinem beleidigten Himmlischen Vater mit Seinem Blute für alle Menschen die reichlichste Genugtuung, und Er machte Sich um diesen Lösepreis das Menschengeschlecht zu eigen.

Nicht mit vergänglichem Gold oder Silber seid ihr erlöst worden, sondern mit dem kostbaren Blute Christi, als eines unbefleckten und unversehrten Lammes.[6] So brachte Er die Menschheit, welche Seinem Reiche und Seiner Macht schon wegen der Erschaffung und Erhaltung unterstand, durch die Erlösung zum zweitenmal unter Seine Gewalt. Ihr gehört nicht euch selbst, denn ihr seid um teuren Preis erkauft worden.[7]

Von jetzt an wurde alles von Gott in Christus «neu geheiligt».[8] Das Geheimnis Seines Willens nach Seinem Wohlgefallen, gemäß welchem Er beschlossen hat, in der Fülle der Zeiten alles in Christus neu zu heiligen: [9] Nachdem Jesus den Schuldbrief, der gegen uns zeugte, am Kreuze ausgelöscht hatte, da war sofort der Zorn Gottes besänftigt.

Die geschlagene und irrende Menschheit wurde von den Banden der alten Knechtschaft befreit und mit Gott versöhnt, die Gnade wurde wieder erlangt, der Zugang zum Himmel erschlossen und das Anrecht auf ihn und das Mittel zu dessen Erlangung erworben. Der gleichsam aus langem, verderblichem Schlafe aufgerüttelte Mensch schaute wieder das Licht der Wahrheit, das er jahrhundertelang ersehnt und vergebens gesucht hatte.

Der Mensch erkannte vor allem, daß er für höhere und erhabenere Güter geschaffen sei als für die sinnlich wahrnehmbaren, vergänglichen und hinfälligen Güter, denen er vordem sein Sinnen und Trachten ausschließlich zugewandt hatte. Es wurde ihm klar, daß Gott sowohl sein Ursprung als auch sein Ziel ist; daß in der Rückkehr zu Gott des Menschen Bestimmung gelegen sei, daß hierin das Hauptgesetz seines Lebens liege, und daß sich hierauf wie auf dessen Zweck alles hinordnen müsse.

Auf dieser Grundlage erneuerte sich das Bewußtsein der Menschenwürde und die Empfindung brüderlicher Zusammengehörigkeit; die Pflichten und Rechte vervollkommneten sich als Folge dessen, oder sie gestalteten sich von Grund auf neu; und es wurden Tugenden betätigt, wie sie kein Philosoph des Altertums auch nur hätte ahnen können. So erhielten die Gedanken, die Lebensweise und die Sitten eine neue Richtung, und mit der Weiterverbreitung der Kenntnis vom Erlöser und mit dem Eindringen Seiner erlösenden Kraft in die innersten Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft wurden die frühere Unwissenheit und die alten Laster verscheucht und es trat eine solche Wendung zum Besseren ein, daß durch die christliche Humanität sich das Angesicht des Erdkreises von Grund auf neu gestaltete.

Die Erinnerung hieran gewährt Uns, Ehrwürdige Brüder, eine unbeschreibliche Freude. zugleich liegt darin eine ernste Mahnung, dem göttlichen Erlöser aus ganzem Herzen und nach Kräften hierfür Dank zu sagen.

Dies gilt immerdar fortdauernd für alle Zeiten

Wenn wir durch den Ablauf der Zeiten dem Augenblick, wo uns das Heil wiedergebracht wurde, ferne gerückt sind, so verschlägt dieses nichts: weil die Kraft der Erlösung eine ewige ist und deren Früchte immerdar fortdauern. Derselbe, der die Menschheit, die durch den Sündenfall verloren war, erlöste, ist und bleibt ihr Erlöser in alle Ewigkeit.

Er hat sich für alle zum Lösegeld hingegeben;[10] In Christus werden alle lebendig gemacht werden;[11] Und seines Reiches wird kein Ende sein.[12] So beruht denn nach Gottes ewigem Ratschluß sowohl das Heil der Einzelnen als auch das der Gesamtheit auf Jesus Christus. Wer IHN verläßt, der zieht sich dadurch in blinder Leidenschaft selbst das Verderben zu. und er ist auch schuld daran, daß die Menschheit, von wilden Stürmen getrieben, in jenen Abgrund der Leiden und der Übel zuxückfällt. aus dem der ERLÖSER sie in Seiner Erbarmung errettet hat.

Jesus Christus allein ist der Weg, die Wahrheit und das Leben

Denn wer sich auf eine abschüssige Bahn begibt, der wird von dem ersehnten Ziele abirren und immer mehr abwärts getrieben. So müssen auch die Geister sich verfinstem und die Seelen von verderblichen Anschauungen betört werden, wenn sie sich dem reinen und klaren Lichte der Wahrheit verschließen.

Welche Hoffnung auf Genesung aber bleibt denen übrig, die den Urgrund und die Quelle des Lebens verlassen? Nun ist aber Christus allein der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.[13] Hat man Ihn preisgegeben, dann hat man diese drei Grundbedingungen des Heiles verloren.

Die Wahrheit, daß es nichts gibt außer Gott, worin des Menschen Herz vollständige Befriedigung finden könnte, drängt sich uns beständig auf. und wird auch von denjenigen empfunden, welche im größten Überflusse leben. Gott ist das einzige Ziel des Menschen. In jedem Alter besitzt sein Leben den Charakter einer Wanderschaft. Nun ist Christus unser Weg und nur unter Seiner Führung und Leitung können wir auf der so beschwerlichen und gefährlichen lebensreise zu Gott, dem höchsten Gut, gelangen. Niemand kommt zum Vater, als durch mich.[14]

Zunächst und vornehmlich geschieht dies durch Seine Gnade; diese bleibt aber im Menschen fruchtlos, wenn er Gottes Gebote und Gesetze außer acht laßt. Nachdem nämlich Jesus Christus die Erlösung vollbracht hatte, war es unerläßlich, daß Er Sein Gesetz als Beschützer und Führer den Menschen zurückließe, damit sie unter dessen Leitung von der Sünde bekehrt, sicher zu Gott gelangen könnten.

Gehet hin und lehret alle Völker, und lehret sie alles halten, was ich euch geboten habe.[15] - Haltet meine Gebote![16]

Die bedingungslose Nachfolge Christi

Hieraus ergibt sich, daß es im Christentum vor allem notwendig ist, sich den Geboten Jesu Christi gegenüber gelehrig zu zeigen und Ihm als dem höchsten Herrn und König sich vollständig zu unterwerfen. Dies ist eine schwere Aufgabe, welche oft große Anstrengung und ernsten Kampf, und einen festen Willen erfordert. Ist auch die menschliche Natur durch Christi Erlösung geheilt, so ist doch in jedem von uns eine große Schwache und Sündhaftigkeit verblieben. Die mannigfachen Begierden ziehen den Menschen bald hierhin bald dorthin, und die Reize der äußeren Dinge verlocken ihn leicht dazu, seiner Neigung zu folgen anstatt Christi Gebot zu erfüllen. Hiergegen aber muß man angehen, und mit aller Kraft den bösen Begierden im Gehorsam gegenüber Christus Widerstand leisten.

Widerstand gegen die Verlockungen dieser Welt - Bereitschaft zum Ertragen von Leid

Denn wenn die Begierden als solche herrschen und nicht der Vernunft gehorchen, so ziehen die Begierden den ganzen Menschen von Christus weg und machen ihn sich dienstbar.

Verdorbene und glaubenslose Menschen gelangen nicht dahin, daß sie frei werden, sie dienen der dreifachen bösen Lust: entweder der Begierlichkeit des Fleisches oder dem Hochmut oder der Augenlust.[17] In diesem Kampfe muß ein jeder bereit sein, um Christi Willen Mühsale und Opfer auf sich zu nehmen. Es ist nicht leicht, heftigen Anlockungen zu widerstehen, und es erfordert große Überwindung, die vermeintlichen Güter des irdischen Lebens um Christi willen und wegen Seiner Gebote zu verschmähen. Will aber jemand christlich leben, so muß er geduldig und standhaft im Ertragen sein. Haben wir vergessen, wessen Leibes und Hauptes Glieder wir sind?

Im Kreuz ist Heil

Er, der anstatt der Freude das Kreuz sich erwählte, gebot uns, daß wir uns selbst überwinden. Auf dieser Gesinnung aber beruht die Würde der menschlichen Natur selbst. Schon die Weisen des Altertums haben es manchmal erkannt, daß die Selbstbeherrschung, und die Unterordnung der niederen Regungen unter Vernunft und Willen keineswegs eine Erniedrigung für den Willen sei, sondern vielmehr eine edle, durchaus vernunftgemäße und des Menschen würdige Tugend.

Überdies ist es ja für den Menschen unvermeidlich, vieles ertragen und vieles leiden zu müssen. Ein Leben ohne Schmerz, ein ungetrübtes Glück kann der Mensch sich ebensowenig verschaffen, wie es ihm unmöglich ist, den Ratschluß Gottes, wonach die Folgen der Erbsünde fortdauern sollen, umzustoßen. Wir sollen deshalb hienieden nicht das Ende der Leiden erwarten, sondern uns im Ertragen derselben stärken.

Auf diese Weise sichern wir uns den künftigen Besitz der höchsten Güter. Denn nicht dem Reichtum und dem üppigen Leben, nicht Ehren und irdischer Macht hat CHRISTUS die Ewige Seligkeit im Himmel verheißen: sondern der Geduld und den Tränen, dem Eifer für die Gerechtigkeit und der Reinheit des Herzens.

Der "Mensch" als das oberste Maß aller Dinge? Im Gegensatz dazu: Das Reich Jesu Christi

Hieraus ist ersichtlich, was von der hochfahrenden, irrigen Anschauung derer zu erwarten ist, die unter Verwerfung des Reiches des Erlösers "den Menschen" an die Spitze aller Dinge setzen wollen, und die behaupten. daß der menschlichen Natur jederzeit und überall die Herrschaft gebühre. In der Tat vermögen sie sich weder eine solche "Herrschaft" zu verschaffen, noch auch überhaupt darzutun‚ was man darunter zu verstehen habe.

Das Reich Jesu Christi hat seine Macht und seine Gestalt von der Göttlichen Liebe, heilige, geordnete Liebe ist seine Grundlage und sein Wesen. Hieraus ergibt sich als notwendige Folgerung für den Menschen die Pflicht: die Gebote treu zu beobachten; niemanden in dessen Rechten zu schädigen; die irdischen Dinge für niedriger zu halten als die himmlischen und Gott über alles zu lieben. Jene Herrschaft aber, die Christus verschmäht oder sich nicht um Ihn kümmert, diese beruht nur auf Selbstsucht, sie kennt keine Liebe und keine Hingebung an andere.

Jesus Christus dienen heißt herrschen

Wohl darf der Mensch herrschen, aber nur durch Jesus Christus, und so, daß er vor allem Gott dient und in Seinem Gesetz die Richtschnur und Regel seines Lebens sucht.

Das Gesetz Jesu Christi - Die Bedeutung der von Ihm gestifteten Kirche

Das Gesetz Christi umfaßt nicht nur die natürlichen Sittengebote oder die im Alten Bunde erlassenen und von Jesus Christus durch Erklärung, nähere Bestimmung und Bestätigung vervollkommneten göttlichen Vorschriften, sondern Seine ganze Lehre und auch die von Ihm getroffenen Einrichtungen.

Unter diesen nimmt die Kirche die erste Stelle ein. Oder gibt es irgend eine andere von Christus getroffene Einrichtung, welche die Kirche nicht vollständig in sich schließt? In dem Wirken dieser von Ihm gestifteten Kirche sollte das Ihm vom Himmlischen Vater übertragene Amt fortdauem. Deshalb vertraute Er Ihr alle Mittel an, um die Menschen selig zu machen, und bestimmte, daß alle Menschen Ihr, so wie Ihm selbst, gehorchen und Ihrer Leitung überall bereitwillig sich unterwerfen sollten. Wer euch hört, hört mich, und wer euch verachtet, verachtet mich.[18]

Das Gesetz Christi findet sich deshalb in Seiner Kirche, und wie CHRISTUS, so ist auch Seine KIRCHE für die Menschen der Weg: Er ist es an sich und Seinem Wesen nach - Sie ist es in Kraft Seines Auftrages und der IHR von IHM übertragenen Gewalt. Wer demnach das Heil ohne die Kirche sucht, der irrt vom rechten Wege ab, und sein Bemühen bleibt fruchtlos.

Die Oberherrschaft des göttlichen Erlösers über die Personen und über die Staatswesen

Wie mit den einzelnen Menschen, so verhält es sich hierbei auch mit den Staaten, auch sie werden notwendig dem Verderben verfallen, wenn sie von dem Wege abweichen. Der Sohn Gottes, als Schöpfer und Erlöser der Menschheit, ist König und Herrscher über die ganze Erde, Seine Macht erstreckt sich auf alle Menschen, mögen sie einzeln oder im Staatswesen vereinigt gedacht werden.

Er gab ihm Gewalt und Ehre und das Reich, und alle Völker, Geschlechter und Zungen werden ihm dienen.[19]

Ich bin von ihm als König eingesetzt. Dir will ich die Völker zum Erbe gehen und die Grenzen der Erde zu deinem Besitze.[20]

Demzufolge soll das Gesetz Christis bei allen Menschen Geltung haben und die Richtschnur darbieten: nicht nur für das Leben der Einzelnen, sondern auch für das ganze Staatswesen. Weil dieses auf göttlicher Anordnung und Einrichtung beruht und niemand es ungestraft bestreiten kann, so ist es auch ein Verderbnis für den Staat, wenn in ihm die Einrichtungen des Christentums nicht in gebührender Weise beachtet werden.

Jesus Christus und der Bereich der menschlichen Vernunft

Ohne Jesus ist die menschliche Vemunft sich selbst überlassen, und ihres höchsten Schutzes und Lichtes beraubt. Dadurch wird leicht der Zweck der bürgerlichen Gesellschaft verdunkelt, der nach Gottes Anordnung vornehmlich darin besteht, die Bürger mit Hilfe der staatlichen Ordnung zu einem natürlichen Glück[21] zu führen: In einer Weise jedoch, die jenem übernatürlichen, vollkommenen und ewigen Glück[22] nicht widerspricht.

Sind die Geister hierüber im unklaren, so geraten Untertanen und Herrscher auf Irrwege. weil es an einer sicheren Richtschnur und an einem festen Halt mangelt.

Wie das Abirren vom Wege zum Unglück führt und verhängnisvoll ist, so in gleicher Weise das Verlassen der Wahrheit. Die erste, die absolute und wesentliche Wahrheit ist Christus, denn Er ist das Wort Gottes, von derselben Wesenheit und gleich ewig wie der Vater, er und der Vater sind eins: Ich bin der Weg und die Wahrheit.

Darum muß die menschliche Vernunft, wenn sie die Wahrheit sucht, vor allem Jesus Christus folgen und auf Sein Lehramt zuversichtlich vertrauen: eben wil durch Christi Stimme die Wahrheit selber spricht.

Es gibt aber unzählige Dinge, bei deren Erforschung und Betrachtung die menschliche Erkenntniskraft als auf ihrem eigenen weit ausgedehnten Gebiet sich frei ergehen kann: so gestattet es nicht nur, so fordern es sogar Natur und Wesen des Menschengeistes.

Unrecht dagegen ist es und wider die Natur, wenn der Geist sich nicht in seinen Schranken halten will, wenn er die gebotene Mäßigung[23] abwirft und die verpflichtende Autorität der Lehre Christi verachtet. Die Lehre, von der unser aller Seelenheil abhängt, handelt fast ausschließlich von Gott und von den göttlichen Dingen, nicht eines Menschen Weisheit hat diese Lehre ausgedacht, sondern der Sohn Gottes hat sie von Seinem Vater selber empfangen: Die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben.[24] Daher umfaßt diese Lehre notwendigerweise manche Wahrheiten, die zwar nicht der Vernunft widersprechen - denn das ist ganz und gar unmöglich - deren Erhabenheit wir aber mit unserem Denken ebensowenig erfassen können, als wir imstande sind, Gott zu begreifen, wie Er in Sich ist.

Etwas über den Glauben und Vernunft - Bedingungsloser Glaubensgehorsam gegenüber Jesus Christus

Wenn es indessen schon im Bereich der Natur so viele verborgene und geheimnisvolle Dinge gibt, die kein menschlicher Scharfsinn zu erklären vermag, an denen aber dennoch kein vernünftiger Mensch zu zweifeln wagt: dann ist es sicher ein Mißbrauch der Freiheit, solche Dinge, welche den gesamten natürlichen Bereich weit überragen, nicht zugeben zu wollen - einfach aus dem Grunde, weil man sie nicht begreift.

Keine «Dogmen»[25] anzuerkennen: das bedeutet ebensoviel als die christliche Religion zunichte machen zu wollen. Der Geist muß sich demütig und untertänig beugen unter den Gehorsam Christi, so tief beugen, daß er unter Christi Macht und Herrschaft gleichsam gefangen gehalten wird.

Wir nehmen gefangen jeden Verstand für den Gehorsam Christi.[26]

Unterordnung von Verstand und Willen unter Jesus Christus: Die wahre Freiheit des Geistes

Von dieser Art ist in der Tat der Gehorsam, den Christus sich verlangt - und mit Recht verlangt Er ihn: Er ist ja Gott und darum besitzt ER allein, wie über den Willen, so auch über den Verstand des Menschen die allerhöchste Gewalt.

Indem aber der Mensch durch die Unterwerfung seines Verstandes Christus dem Herrn dient, handelt er keineswegs nach Art eines Sklaven, sondern völlig im Einklang sowohl mit seiner Vernunft wie auch mit der ihm angestammten Würde. Denn freiwillig begibt er sich unter die Herrschaft nicht eines Menschen, sondern Gottes, der sein Schöpfer und der Herr aller Dinge ist und dem er unterworfen ist durch das Gesetz der Natur; und er läßt sich dabei nicht binden durch die Meinung eines menschlichen Lehrers, sondern durch die ewige und unabänderliche Wahrheit. So erlangt der Mensch die ihm wesensgemäße Entwicklung seines Geistes und zugleich die Freiheit. Die Wahrheit nämlich, die vom Lehramt Christi ausgeht, läßt deutlich das Wesen und die Bedeutung der einzelnen Dinge erkennen.

Nimmt der Mensch diese Erkenntnis in sich auf und folgt er der erkannten Wahrheit, dann wird nicht er sich den Dingen, sondern (umgekehrt): er wird die Dinge sich unterwerfen: und dabei nicht die Vernunft durch der Begierlichkeit unterdrücken, sondern die Begierlichkeit der Vemunft unterordnen. Und indem so die schmachvolle Knechtschaft der Sünde und des Irrtums aufgehoben wird, gelangt der Mensch in den Besitz der edelsten Freiheit.

Ihr werdet die Wahrheit erkennen. und die Wahrheit wird euch frei machen.[27]

Widersetzlichkeit gegen den Willen Gottes

Es ist also klar, daß diejenigen, welche ihren Verstand nicht der Herrschaft Christi unterwerfen wollen, sich hartnäckig dem Willen GOTIES widersetzen. Der Göttlichen Gewalt sich entziehend, gewinnen sie dabei aber keineswegs an Freiheit, sie werden irgendeiner menschlichen Gewalt verfallen: sie werden sich, wie es zu geschehen pflegt, irgend einen zum Lehrer wählen, den sie hören, dem sie gehorchen, dem sie folgen.

Überdies zwangen sie ihren Geist, dem sie die Quelle der Göttlichen Wahrheit verschließen, in einen engeren Kreis der Erkenntnis ein, und selbst bei der Erforschung derjenigen Wahrheiten, die mit den natürlichen Kräften der Vernunft erkannt werden können, entbehren sie einer mächtigen Beihilfe. Denn in der natürlichen Ordnung gibt es nicht wenige Dinge, zu deren Auffindung und Erklärung die Göttliche Oflenbarung viel Licht bietet.

Der Abfall in den Irrtum als Strafe Gottes für den widerspenstigen Stolz

Und nicht selten laßt Gott solche Menschen zur Strafe für ihren Stolz in den Irrtum geraten, damit sie in dem gezüchtigt werden, worin sie gesündigt haben. Aus diesen beiden Gründen erlebt man es so oft, daß hochbegabte und wissenschaftlich hervorragend gebildete Gelehrte dennoch selbst bei der Erforschung der natürlichen Wahrheiten den widersinnigsten lrrtümem huldigen.

Die Bürde Jesu Christi - keine Distanzierung des Verstandes von den göttlichen Glaubenswahrheiten in unchristliche Religiöse Toleranz

Somit wäre erwiesen, daß im christlichen Leben der Verstand sich ganz und gar an die Autorität Gottes hingeben muß. Wenn bei dieser Unterwerfung unter die Autorität der Geist des Hochmuts, der in uns so mächtig ist, einen schmerzlichen Druck empfindet, so erhellt hieraus umso mehr, daß der Christ nicht bloß seinem Willen, sondern auch seinem Verstande ein großes Ertragen auferlegen muß.

Das mögen diejenigen vor Augen haben, welche für das Christentum in Bezug auf Denken und Handeln eine andere Lebensordnung ersinnen und herbeiwünschen: eine Lebensordnung nämlich, deren Forderungen milder wären, die gegen die menschliche Natur eine viel gößere Nachsicht üben und von uns gar kein oder doch nur geringes Ertragen verlangen würde.

Keine widerwillige halbe Unterwerfung unter Jesus Christus

Sie haben kein genügendes Verständnis von der Bedeutung des Glaubens und von den Einrichtungen des Christentums: sie sehen nicht, daß uns überall das Kreuz entgegentritt als Vorbild des Lebens und stetes Wahizeichen für alle, die in Wahrheit und durch die Tat, nicht bloß dem Namen nach Christus folgen wollen.

Christus ist das Leben

Gott allein ist seiner Natur nach das Leben. Allen anderen Wesen ist das Leben mitgeteilt worden - sie sind nicht selbst das Leben. Von aller Ewigkeit her und durch Seine eigene Natur ist Christus das Leben, wie Er die Wahrheit ist: denn Er ist Gott von Gott. Von Ihm, als aus der höchsten und erhabensten Quelle floß und wird immerdar fließen alles Leben in die Welt, alles, was ist, es ist durch Ihn, was lebt, es lebt durch Ihn, weil alles durch das Wort gemacht worden ist, und ohne daßelbe wurde nichts von allem, was geworden ist.

Das gilt schon vom natürlichen Leben, es gibt aber, wie Wir bereits oben dargelegt haben, ein Leben einer viel höheren Stufe und von viel größerer Bedeutung, durch Christi Erlösungstod für uns erworben, nämlich das Leben der Gnade, dessen glückselige Vollendung das Leben der Glorie ist, auf welches wir all unser Sinnen und Trachten hinrichten müssen.

Ein Leben in Glaubensgerechtigkeit

Darin liegt die ganze Bedeutung der christlichen Glaubens- und Sittenlehre: daß wir, abgestorben den Sünden, der Gerechtigkeit leben,[28] das heißt der Tugend und Heiligkeit, worin das sittliche Leben mit der zuversichtlichen Hoffnung auf die ewige Seligkeit besteht. Im wahren und eigentlichen Sinn aber und in einer für das Seelenheil törderlichen Weise wird die Gerechtigkeit allein durch den christlichen Glauben genährt. Der Gerechte lebt aus dem Glauben.[29]

Keine sittliche Rechtschaffenheit ohne den Glauben der Kirche möglich

Ohne Glauben ist es unmöglich. Gott zu gefallen[30]. Wie daher Jesus Christus der Urheber und Erhalter des Glaubens ist, so ist Er es auch, der in uns das sittliche Leben erhält und stützt. Das tut Er vornehmlich durch den heiligen Dienst[31] Seiner Kirche, Ihr hat Er nach dem … zum Heil anvertraut, durch welche das erwähnte Leben erzeugt, geschützt und, falls es erstorben ist, erneuert wird.

Außerhalb der Kirche kein Heil

Demgemäß wird die Kraft, welche die für das Heil dienlichen Tugenden hervorbringt und erhält, durch die Lostrennung des Sittengesetzes vom Göttlichen Glauben zerstört, und wahrlich: wer den Menschen einzig durch die Lehren der Vernunft zur Rechtschaffenheit führen will, der beraubt ihn seiner höchsten Würde, stürzt ihn von der Höhe des übernatürlichen Lebens hinab und schleudert ihn zu seinem großen Verderben in ein bloß natürliches Leben zurück.

Es ist zwar richtig: der Mensch kann mit seinen natürlichen Kräften manche Gebote des Naturgesetzes erkennen und erfüllen, aber wenn er sie auch alle erkennen würde und ohne jegliche Übertretung sein ganzes Leben hindurch hielte - er vermag dies nicht ohne die Hilfe der Gnade des Erlösers - so würde er dennoch, weil er keinen Glauben hat, vergeblich auf die ewige Seligkeit hoffen.

Wenn jemand nicht in mir bleibt, der wird wie eine Rebe hinausgeworfen und verdorrt; man sammelt sie ein, wirft sie ins Feuer, und sie brennt.[32]

Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden.[33]

Folgen einer bloßen bürgerlichen Rechtschaffenheit, die den Heiland verschmäht. Die Katastrofe der Trennung von Kirche und Staat

Schließlich: Welchen Wert jene den Göttlichen Glauben verschmähende[34] Rechtschaffenheit hat und welche Früchte sie hervorbringt: dafür haben wir[35] nur zu viele Beweise vor Augen. Wie kommt es denn, daß trotz der eifrigsten Bemühung, das öffentliche Wohl zu festigen und zu mehren, sich dennoch die Mängel, ja man möchte sagen: die Krankheiten der Staaten in so vielen und wichtigen Punkten von Tag zu Tag steigern? Man behauptet, die bürgerliche Gesellschaft habe in sich selbst eine genügende Stütze, sie könne sich ohne die Hilfe der Einrichtungen des Christentums wohl befinden, und sie vermochte kraft ihrer eigenen Anstrengung ihre Ziele erreichen.

Daher fordert man, daß bei Behandlung der öffentlichen Angelegenheiten keine Rücksicht auf die Religion genommen werde, und in der Regierung der Staaten sowie im öffentlichen Leben der Völker werden die Spuren der Religion der Väter von Tag zu Tag seltener. Indessen beachtet man nicht die Tragweite eines solchen Tuns. Sobald die göttliche Sanktion des Sittengesetzes beseitigt ist, bricht notwendig die Autorität der Gesetze zusammen und die Gerechtigkeit gerät in Verfall: Dies sind aber die beiden stärksten und unentbehrlichsten Bande des Lebens der bürgerlichen Gesellschaft.

In gleicher Weise, sobald einmal dem Menschen die Hoffnung und Aussicht auf die unverganglichen Güter genommen ist, da stürzt er sich gierig auf die irdischen Güter, und von diesen sucht ein jeder, so viel er vermag, an sich zu reißen. Daher Eifersucht, Mißgunst, Haß, dann schändlich ausgeheckte Pläne, Revolutionsgelüste, wahnsinnige Umsturzideen allenthalben. Kein Friede draußen, keine Ruhe drinnen, das gesellschaftliche Leben verwüstet durch Verbrechen.

Wo ist das Heil für die Völker zu suchen?

Bei diesem Widerstreit der Leidenschaften und in solchen Gefahren hat man sich entweder auf den allerschlimmsten Ausgang gefaßt zu machen — oder man muß beizeiten auf ein geeignetes Heilmittel sinnen. Die Verbrecher in Schranken zu halten, die Sittlichkeit des Volkes zu heben und von Vergehen abzuschrecken vermittels gesetzlicher Bestimmungen: das ist gewiß gut und auch notwendig, keineswegs aber kann dieses ausreichen.

Das Heil der Völker ist in einer höheren Sphäre zu suchen; man muß eine Kraft zu Hilfe nehmen, welche die menschliche Kraft überragt, welche die Herzen erfaßt, in ihnen das Pflichtbewußtsein erneuert und sie besser macht: die nämliche Kraft, welche schon einmal den Erdkreis, da er noch viel mehr im argen lag, vom Untergang gerettet hat. Man entferne alle Hindernisse und lasse im Staate den christlichen Geist wieder aufleben und erstarken: der Staat wird sich alsdann neugestalten. Verstummen wird alsbald der Streit zwischen den niederen und den höheren Ständen, und die Rechte beider bleiben gesichert durch die gegenseitige Achtung.

Wiedererweckung des Geistes Christi im Leben der Staaten

Wenn sie auf Christus hören, dann werden pflichttreu sein die Reichen ebenso wie die Armen: die einen werden fühlen, daß sie Gerechtigkeit und Liebe üben müssen, wenn sie selig werden wollen, die anderen aber Mäßigung und Maßhalten.

Gut wird es stehen um die Familie, weil sie durch eine heilsame Furcht vor dem Gesetze Gottes beschützt wird, und aus demselben Grund werden im Volk die bereits durch das Naturgesetz verkündeten Gebote bedeutend an Kraft gewinnen: daß man der rechtmäßigen Obrigkeit Ehre und den Gesetzen Gehorsam schulde, daß man von aufrührerischen Bestrebungen sich fern halten müsse und sich nie beteiligen dürfe an einer Verschwörung.

Auf diese Weise wird dort, wo das Gesetz Christi allen vor Augen schwebt und es durch nichts behindert ist, wie von selbst die von Gottes Vorsehung gewollte Ordnung aufrecht erhalten, und hieraus entspringt der Friede und das Glück. Laut fordert es also das allgemeine Wohl: man müsse zurück dorthin, von wo man niemals sich hätte entfernen sollen: zu Dem, welcher ist der Weg und die Wahrheit und das Leben; es müßten zu Ihm zurückkehren nicht bloß die Einzelnen, sondern die gesamte menschliche Gesellschaft.

In diese muß Christus, der Herr, als in Sein Eigentum wieder eingesetzt werden, und es ist dahin zu wirken, daß das Ihm entströmende Leben hineindringe in alle Glieder und Tefle des Staates, in die Gesetzgebung, in die Einrichtungen für das Volk, in die Unterrichtsanstalten, in den Ehestand und die Familie, in die Paläste der Reichen und in die Werkstätten der Arbeiter.

Die wahre Zivilisation der Völker

Und man möge nicht übersehen, daß hierauf zum großen Teil die so eifrig erstrebte Zivilisation der Völker beruht: denn diese empfängt ihre Nahrung und ihr Wachstum nicht so sehr aus den leiblichen Gütern, Genüssen und Reichtümem, als vielmehr aus den Gütern der Seele, lobenswerten Sitten und der Übung der Tugend.

Viele stehen Christus fern mehr aus Unwissenheit als aus bösem Willen: denn zahlreich sind diejenigen, welche den Menschen und die Welt zu erkennen sich bemühen; wenige aber sind es, die nach der Kenntnis des Sohnes Gottes trachten.

Das erste also sei, die Unwissenheit durch die Erkenntnis zu verdrängen, damit Christus nicht wie ein Unbekannter abgewiesen und verschmäht werde. Alle Christen, alle ohne Ausnahme, beschwören Wir, daß sie sich doch bemühen mögen, ein jeder nach seiner Kraft, ihren Erlöser genau kennenzulernen; wer IHN anschaut mit aufrichtiger Gesinnung und ungetrübtem Urteil, der wird deutlich wahrnehmen, daß es nichts Heilsameres geben kann als Sein Gesetz, nichts Gottlicheres als Seine Lehre.

Hierbei wird Euer Ansehen und Eure Bemühung, Ehrwürdige Brüder, sowie der Eifer und Fleiß des ganzen Klerus eine bedeutende Unterstützung darbieten. In die Herzen des Volkes den wahren Begriff, gewissermaßen das Bild Jesu Christi hineinzuprägen, Seine Liebe, Seine Wohltaten, Seine Einrichtungen zu erläutern in Schrift und Wort, in Hauptbestandteil Eurer Hirtenpilichten.

Von den sogenarmten "Menschenrechten" hat das Volk genug gehört - es höre endlich von den Rechten GOttes! Die Zeit ist eine günstige, dies beweist der rege Eifer, der, wie gesagt, bei vielen bereits erwacht ist, und besonders die durch so viele Zeichen bekundete Liebe zum Göttlichen Erlöser, welche Wir dem nächsten Jahrhundert, so Gott will, als Vorzeichen einer besseren Zeit überliefern werden.

Da es sich aber um eine Sache handelt, die nur von der Gnade GOttes erhofft werden darf, so wollen wir mit vereintem Eifer und durch inbrünstiges Gebet den allmächtigen Gott zur Barmherzigkeit stimmen: daß Er jene nicht zugrundegehen lasse, die Er selbst mit Seinem Blut erlöst, daß Er gnädig auf dieses Zeitalter blicke, das zwar viel gesündigt, aber auch vieles Bittere als Sühne dafür getragen hat; daß Er die Menschen aller Nationen und aller Zeiten in Seiner Liebe umfassend, Seines Wortes eingedenk sein wolle: Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alles an mich ziehen.[36]

Als Unterpfand Himmlischer Gaben und zum Zeichen Unseres väterlichen Wohlwollens erteilen Wir Euch, Ehrwürdige Brüder. Eurem Klerus und Volk von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn.


Gegeben zu Rom beim Heiligen Petrus am 1. November des Jahres 1900, im dreiundzwanzigsten Jahre Unseres Pontifikates.

Papst Leo XIII.

Verweise


Einzelnachweise

  1. 19.
  2. d. h. um 1900
  3. Apg 4, 12
  4. Rom 1
  5. des AT
  6. 1 Petr 1, 18 - 19
  7. 1 Kor 6, 19 - 20
  8. = «instauraius»; oft übersetzt: «erneuert»
  9. ( 5) Eph 1, 9 - 10, siehe voriger Absatz
  10. 1 Tim 2, 6
  11. 1 Kor 15‚ 22
  12. Lk 1, 33
  13. Joh 14‚ 6
  14. Joh 14, 6
  15. Mt 28, 19 - 20
  16. Joh 14, 15
  17. Augustinus, Über die wahre Religion 37
  18. Lk 10, 16
  19. Dan 7, 14
  20. Ps 2
  21. lat: naturala bonum
  22. lat. bonum aeternum
  23. lat.: modestia
  24. Joh 17, 8
  25. hier: übernatürliche Glaubenswahrheiten
  26. 2. Kor 10, 5
  27. Joh 8, 32
  28. 1 Petr 2, 24
  29. Gal 3, 11
  30. Hebr 11, 6
  31. lat: ministerium
  32. Joh 15, 6
  33. Mk 16, 16
  34. die Sogenannte "bürgerliche"
  35. gerade auch jetzt im anbrechenden 3. Jahrtausend
  36. Joh 12, 32