Zweiter Balkankrieg
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Nach der vereinbarten Waffenruhe mit den Osmanen kam es wenig später zum Streit über die Verteilung der Territorien. Die bulgarische Führung war nicht zufrieden mit den eigenen erzielten Landgewinnen und verlangte von Serbien die Abtretung von weiten Teilen des eroberten Makedoniens.
Darüber hinaus überschätzte die bulgarische Regierung die Stärke der eigenen Armee und verkannte auch die strategische Lage auf dem Balkan, die sich mit dem Verteidigungsbündnis vom 19. Mai 1913 zwischen Belgrad und Athen manifestierte. Die Serben waren damit unzufrieden, daß Albanien ihren angestrebten Zugang zur Adria versperrte. Rumänien, das im Ersten Balkankrieg neutral geblieben war, agierte im Zweiten Balkankrieg selbständig gegen Bulgarien. Das Osmanische Reich ergriff schließlich ebenfalls die Gelegenheit, während der Kriegshandlungen zwischen den serbischen, griechischen und bulgarischen Truppen verlorene Territorien zurückzugewinnen.
Ergebnisse
Nach dem Waffenstillstand mußte Bulgarien im Friedensvertrag von Bukarest vom 10. August 1913 fast alle im Ersten Balkankrieg erzielten Eroberungen wieder abtreten.
Der größte Teil der Region Makedonien fiel an Griechenland und Serbien, der Süden der Dobrudscha ging an Rumänien und Ostthrakien mit Adrianopel zurück an das Osmanische Reich. Der Eintritt Rumäniens im Krieg gegen Bulgarien vergiftete das Verhältnis zwischen den beiden Ländern für Jahre. Noch heute spürt man eine Animosität im Verhalten beider Länder zueinander. Solche Feindschaften gibt es jedoch zwischen vielen Balkanvölkern, ausgelöst vor allem durch die vielen Kriegsverbrechen.
Bulgarien behielt vorerst nur einen kleinen Teil der östlichen Region Makedoniens. Mit dem Eingreifen Rußlands in die Verhandlungen erhielt Bulgarien letztendlich mit dem Vertrag von Konstantinopel am 29. September 1913 mit Westthrakien doch noch einen Zugang zur Ägäis. Dies verursachte einen neuen Konflikt mit Griechenland, das die Region für sich beanspruchte. Die Osmanen hatten am Ende des Zweiten Balkankriegs mit Hilfe der Freischärler von "Teşkilât-ı Mahsusa“ – einer osmanischen, meist von der Hohen Pforte unabhängig agierenden, jedoch vom Militär unterstützten Geheimorganisation – Ostthrakien mit Edirne (Adrianopel) zurückerobert und wie später beim Völkermord an den Armeniern die komplette bulgarische Bevölkerung dort vertrieben oder ermordet.
In Westthrakien wurde ebenso mit Unterstützung der "Teșkilât-ı Mahsusa“ die Kontrolle wieder übernommen und die Provisorische Regierung Westthrakien gegründet. Die Hohe Pforte forcierte aufgrund politischer Ängste die Unabhängigkeitsbewegung in der Region Westthrakiens nicht, denn in West-, Nord-, und Ostthrakien lebten ebenfalls hunderttausende Muslime und Christlich-Orthodoxe. Der Vertrag von Konstantinopel bildete neben dem Vertrag von Bukarest den zweiten wichtigen Vertrag am Ende des Zweiten Balkankriegs. Damit wurde Westthrakien mit Einverständnis des Osmanischen Reichs Bulgarien überlassen (mit dem Lausanner Vertrag von 1923 fiel die Region an Griechenland). Der Vertrag von Konstantinopel befasste sich jedoch nicht mit der Flüchtlingsproblematik zwischen Bulgarien und dem Osmanischen Reich; diese wurde erst 1925 im Vertrag von Angora geregelt. Verluste
Die Kriege forderten an toten und verwundeten Soldaten: Serbien 71.000, Montenegro 11.200, Bulgarien 156.000, Griechenland 48.000 und Osmanisches Reich rund 100.000. Nicht einberechnet sind dabei Opfer unter den Zivilisten.
Folgen und Bewertung
Die Balkankriege waren Wegbereiter für den Eintritt der südosteuropäischen Staaten in den Ersten Weltkrieg. Das Osmanische Reich trat ebenso wie das auf dem Balkan isolierte Bulgarien an der Seite der Mittelmächte in den Krieg ein. Beide Mächte strebten eine Revision der neu gezogenen Grenzen an.
Im Gegensatz zum Leitbild der "politischen Kriege“, das zu dieser Zeit in Europa herrschte, waren die Balkankriege von einem hohen Maß an ethnisch begründeter Gewalt geprägt. Alle Seiten ermordeten und vertrieben zahlreiche Zivilisten der jeweils anderen Völker. Der Frieden von Konstantinopel von 1913 gilt als der erste Friedensvertrag der Geschichte, der einen geplanten Bevölkerungsaustausch zwischen den Vertragspartnern mit dem Ziel einer ethnischen Entmischung vorsah. Im Frühsommer 1914 folgte ein ähnliches Abkommen zwischen Griechenland und dem Osmanischen Reich, das wegen des beginnenden Ersten Weltkrieges jedoch kaum umgesetzt wurde.
Die Balkankriege und der folgende Erste Weltkrieg vergifteten für Jahrzehnte die Beziehungen zwischen den Balkanvölkern.
Österreich-Ungarn
Der Krieg vertiefte die Spaltungen innerhalb der Donaumonarchie. Am 20. Oktober traf sich in Laibach das erste kroatisch-slowenische Parlament, das sich für eine trialistische Zerstörung einsetzte.
Den „slawischen“ Völker der Donaumonarchie sollte eine Position gleich der ungarischen eingeräumt werden. So wie die meisten anderen europäischen Politiker prognostizierte man auf k.u.k-Seite einen Sieg des Osmanischen Reiches. Österreich-Ungarn wollte einen Zugang der Serben zur Adria verhindern und versuchte entsprechend politischen Einfluß auf Serbien zu nehmen. Demgegenüber meinten slowenische und kroatische Politiker, daß der Stabilität der Monarchie am besten gedient wäre, wenn man auch die Interessen der slawischen Völker, die außerhalb der Donaumonarchie lebten, berücksichtigen und diese nicht mit faulen Kompromissen abspeisen würde.